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Freiwilligenprojekt va bene

Freiwilligenprojekt va bene Kreis 6

Beatrice Widmer, Fachfrau Bildung und Beratung SGZ, im Gespräch mit Monika Hänggi Hofer, Sozialdiakonin der Kirchgemeinde Oberstrass und Projekt-Mitinitiantin von«va bene Kreis 6».

Freiwilligenarbeit ist eine wichtige Sache und ein gut funktionierendes Zusammenleben ohne Freiwilligenarbeit ist undenkbar. In diesem Beitrag soll sie mit einem besonderen Projekt gewürdigt werden: «va bene Kreis 6».

Hintergrund des Projekts «va bene – besser leben zu Hause»

Erhalt der Lebensqualität von älteren Menschen

Ältere und hochbetagte Menschen sind ein stetig wachsender Teil unserer Bevölkerung. Es ist davon auszugehen, dass Menschen in höherem Alter früher oder später auf individuelle Unterstützung angewiesen sein werden. Auch haben sie den Wunsch, trotz mehr oder weniger ausgeprägten Einschränkungen, weiterhin zu Hause zu verbleiben. So muss nach Möglichkeiten gesucht werden, um deren Lebensqualität möglichst lange zu erhalten. Die punktuelle Unterstützung, die den Verbleib zu Hause ermöglichen, erfolgen mehrheitlich durch An- und Zugehörige, die in der Nähe wohnhaft sind. Für den Erhalt der Lebensqualität von älteren und hochbetagten Menschen sind noch andere Ressourcen mobilisierbar. Beispielsweise professionelle Helfende und der Einsatz von Freiwilligen.

Mitarbeitende und Freiwillige der evangelisch-reformierten Landeskirche suchen Menschen aktiv auf und können nicht selten eine Vertrauensbeziehung aufbauen. Es macht sehr Sinn, wenn diese Freiwilligen ein gerontologisches Fachwissen haben, um altersbedingte Risiken zu erkennen und entsprechende Unterstützung anzubieten. Genau hier setzt «va bene – besser Leben zu Hause» an.

Das Projekt der evangelisch-reformierten Landeskirche des Kanton Zürich, in Kooperation mit dem Institut Neumünster und PD Dr. A. Wettstein, will die Vorteile bestehender kirchlicher Strukturen und Angebote kombinieren, um damit alte Menschen in der möglichst selbstständigen Bewältigung des Alltags zu unterstützen und ihr Wohlbefinden zu fördern.

Mit «va bene» wird in Kirchgemeinden und Regionen ein Beratungsangebot für alte Menschen und ihr soziales Umfeld aufgebaut oder ein bestehendes Angebot weiterentwickelt. Dazu gehört ein niederschwelliges Gesprächs- und Beratungsangebot. Dies wird durch Mitarbeitende und Freiwillige der Kirche wahrgenommen. Die älteren Menschen zu Hause werden durch den entsprechenden Personenkreis besucht und es wird eine Beziehung zu ihnen aufgebaut. Mit den Betroffenen und deren An- und Zugehörigen können Veränderungen in der Lebensqualität erkannt und allenfalls Empfehlungen und/oder gemeinsam Massnahmen zum Erhalt der Lebensqualität ergriffen werden. In einem weiteren Schritt ist ein Netzwerk aus Fachpersonen vorhanden, das in Situationen mit zunehmender Komplexität zugezogen werden kann.

«va bene – besser leben zu Hause» beinhaltet, dass die Freiwilligen eine direkte Ansprechperson haben. So können komplexere Situationen gemeinsam analysiert und Massnahmen sowie Empfehlungen vorbesprochen werden. Betroffene können so frühzeitig professionelle Hilfestellungen erhalten, damit ihre Lebensqualität weiter erhalten werden kann. Aber nicht nur das … auch Freiwillige erhalten die nötige Unterstützung. Einerseits werden sie durch kirchliche Mitarbeitende begleitet und andererseits besuchen sie Fortbildungseinheiten mit folgenden Bildungsschwerpunkten:

  • Alter(n) aus ethischer Sicht
  • Alter(n) aus medizinisch – pflegerischer Sicht
  • Alter(n) aus spiritueller Sicht
  • Das Projekt in unserer Gemeinde: Hier werden Grundsätze zur Rolle der Freiwilligen, die Schweigepflicht sowie entsprechende professionelle Angebote zur Unterstützung bei Bedürftigkeit vorgestellt.

Interview mit Monika Hänggi Hofer

Die evangelisch reformierten Kirchgemeinden Oberstrass und Paulus engagieren sich für das Zusammenleben und den Zusammenhalt unter der Quartierbevölkerung. Mit welchen Aktivitäten und was sind die Überlegungen dahinter?

Monika Hänggi Hofer: Zahlreiche betagte Bewohnerinnen und Bewohner im Kreis 6 haben sich in den letzten Jahrzehnten erheblich für «ihre» Kirchgemeinde engagiert. Nun sind sie in einem Alter, wo dies oft nicht mehr möglich ist. Diese Menschen möchten wir nicht vergessen und für ihr Engagement soll ihnen Wertschätzung und Dank entgegengebracht werden. Auch möchten wir den gesellschaftlichen Zusammenhalt im Quartier stärken. Mit Aktivitäten und Veranstaltungen wie dem Mittagstisch, Lesungen, dem «Sing-Café» für Menschen mit Gedächtnisschwierigkeiten, dem Gratulationskreis (im Quartier wohnhafte Menschen ab dem 40. Geburtstag, erhalten alle 10 Jahre eine Glückwunschkarte, ab dem 80. Lebensjahr werden sie jährlich vom Freiwilligen-Gratulationskreis besucht) sowie weiteren Angeboten erreichen wir aber vor allem Menschen, die den Weg in unser Kirchgemeindehaus oder die Kirche noch selbst unter die Füsse nehmen können.

Die Kirche kann und soll heute aber eine «Gehkultur» leben, das heisst, sie soll auch vermehrt Menschen dort aufsuchen, wo sie leben und zu ihnen in Kontakt treten (beispielsweise das Summer-Kafi unter den Linden bei der Kirche und neben dem Spielplatz) oder eben auch Menschen zu Hause besuchen, die wegen ihrer zunehmenden Immobilität nicht mehr aktiv am Leben im Quartier teilnehmen können.

Spiritualität ist ein wichtiges Thema, gerade auch bei älteren Menschen und immer noch eines der Kernthemen der Kirchen. Fragen zum Tod und dem Sterben können deshalb durchaus auch Themen sein, die mit einer freiwilligen Person vom Besuchsdienst angesprochen werden können. Aus den oben genannten Gründen ist der Freiwilligenbesuchsdienst für uns ein wichtiges Projekt, welches wir nun aufbauen und weiterentwickeln wollen.

 

Warum glaubst du, dass Freiwillige Fortbildungen erhalten sollen, oder gar brauchen? Und warum gerade «va bene – besser leben zu Hause»? Was überzeugt dich insbesondere an diesem Projekt?

Monika Hänggi Hofer: Die kirchlichen Freiwilligen-Arbeit zum Beispiel in Form der Besuchsdienste, steuert seit langer Zeit einen wertvollen Beitrag an den Erhalt von Lebensqualität der Bezügerinnen und Bezügern. Leider sind in den letzten Jahren viele kirchliche Besuchsdienste mangels «Nachwuchs» eingegangen. Dass die Freiwilligen bei «va bene» eine auf sie zugeschnittene und qualifizierende Fortbildung erhalten und sie während ihrer Tätigkeit fachlich breit gefächert unterstützt und begleitet werden sowie Ansprechpartner/-innen haben, hat mich überzeugt. Ich glaube, dass mit diesem Modell auch jüngere und nicht unbedingt kirchennahe Freiwillige aus dem Quartier gewonnen werden können.

 

Wie ist die Idee entstanden, einen Freiwilligenbesuchsdienst aufzubauen, der spezifisch für Menschen mit Demenz gedacht ist?

Hänggi Hofer: Zu meinen Aufgaben als Sozialdiakonin gehört auch, dass ich neue Projekte, die der Bevölkerung im Kreis 6 dienlich sind, erkenne und initiiere. In meiner Funktion komme ich regelmässig in Kontakt mit Quartierbewohnerinnen und -bewohnern und erhalte da Inputs über Anliegen, denen nachgegangen werden soll. So habe ich bei Gesprächen mit An – und Zugehörigen von Menschen mit Demenz erkannt, dass nebst dem «regulären» Besuchsdienst, der Einsatz eines spezifischen Freiwilligenbesuchsdienstes für Menschen mit Demenz, eine Bereicherung wäre. Mir war allerdings klar, dass ich diesen Plan nicht alleine realisieren kann. Das Zentrum Rigiplatz, als einer der 9 Standorte der Organisation Spitex Zürich Limmat AG, befindet sich am selben Standort, wie die evangelisch-reformierte Kirchgemeinde Oberstrass. Ich habe deshalb mit der ehemalige Co-Zentrumsleiterin Cornelia Kaya Kontakt aufgenommen, die heute als SocialCare Beraterin bei der Spitex Zürich Limmat AG arbeitet. Sie hat das Pilotprojekt «SocialCare» der Spitex Limmat AG, mitinitiiert und geleitet. Mittlerweile ist es kein Pilotprojekt mehr. In jedem der 9 Zentren begleiten und unterstützen Mitarbeitende des SocialCare-Teams Menschen mit Demenz, die Spitex-Leistungen brauchen. Weitere Institutionen aus dem Quartier wurden für eine Zusammenarbeit angefragt. Die meisten davon waren bereit, das Projekt zu unterstützen und daran mitzuarbeiten. Die evang.-ref. Kirchgemeinde Paulus, die Nachbarschaftshilfe Kreis 6, Spitex Limmat AG und das Pflegezentrum Irchelpark als demenzspezifische Institution der Pflegezentren der Stadt Zürich haben schliesslich in einer Vereinbarung ihre Zusammenarbeit geregelt und die Verpflichtungen der einzelnen Institutionen festgehalten. Das Projekt nennt sich «va bene Kreis 6».

Aus dem geplanten Freiwilligenbesuchsdienst für Menschen mit Demenz entwickelte sich so ein Besuchsdienst für ALLE älteren Menschen aus dem Quartier, unabhängig davon, ob sie noch zu Hause oder schon in einem Alters- oder Pflegezentrum leben. Wir haben das Modell «va bene – besser leben zuhause» also quasi erweitert und den bereits bestehenden vier Fortbildungseinheiten zwei weitere Module hinzugefügt, die aktuelles Wissen im Umgang mit Demenzbetroffenen thematisierten. Im Auftrag der Spitex Limmat AG hast du dich, Beatrice, uns angeschlossen, an den regelmässig stattfindenden Projektsitzungen teilgenommen und die demenzspezifischen Fortbildungen geplant und durchgeführt.

 

Wie geht es nun weiter mit dem Projekt «va bene Kreis 6»?

Hänggi Hofer: Das Projekt ist gut gestartet und befindet sich im Aufbau. Gesucht sind momentan ältere Menschen, die Interesse haben, regelmässig besucht zu werden und dies als Chance sehen, trotz zunehmenden altersbedingten Einschränkungen, weiterhin am Quartierleben teilnehmen zu können, indem sie von Personen aus dem Quartier besucht werden. Wir werden also bei jeder Gelegenheit, die sich bietet, die Quartierbevölkerung und weitere Kreise auf «va bene Kreis 6» aufmerksam machen. Natürlich suchen wir auch weiterhin Interessierte, die sich als Freiwillige für das Projekt einsetzen möchten. Die reformierte Landeskirche des Kantons Zürich bietet die Fortbildungseinheiten von «va bene» regelmässig an, sodass auch Menschen, die später zum Projekt stossen, geschult und in den Besuchsdienst «va bene Kreis 6» integriert werden können.

Alle Freiwilligen, die wir für das Projekt gewinnen können, werden zu einem Gespräch eingeladen. Dabei wird es sich zeigen, in welchem Umfang sie Freiwilligenarbeit leisten möchten. Aber auch, welche Art von Besuche, für sie passend sind. Extrem wichtig ist, dass Freiwillige und zu Besuchende sich verstehen und sich sympathisch sind. Nur dann können tragfähige und auf Vertrauen basierende Beziehungen entstehen. Den Vermittlungspersonen kommt deshalb eine sehr wichtige Aufgabe zu. Die Wünsche und Bedürfnisse der Besuchenden und Freiwillige müssen transparent sein und berücksichtigt werden, damit eine gute Vermittlung gelingen kann.

Cornelia Kaya von der Spitex Limmat AG wird sich regelmässig mit den Freiwilligen, die Besuche leisten, zu Intervisionstreffen verabreden. Ziel dieser Treffen ist es, durch Besprechungen von erlebten Situationen, Sicherheit in der Rolle als Freiwillige zu vermitteln und gegenseitig voneinander zu lernen.

Wir werden uns auch innerhalb der Projektgruppe weiterhin 1–2 Mal pro Jahr treffen, um das weitere Vorgehen im Zusammenhang mit Öffentlichkeitsarbeit in Sachen Demenz zu besprechen. Wir bleiben dran, an der stetigen Weiterentwicklung dieses Projektes.

Ganz herzlichen Dank für das Interview, wir freuen uns, dieses Projekt gemeinsam weiter voranzutreiben.

 

Beatrice Widmer
Schulungszentrum Gesundheit SGZ
Programmleiterin Bildung
beatrice.widmer@zuerich.ch
angebot.wissen-pflege-bildung.ch

 

Kommentare: 1 | Autor: SGZ | Kategorien: Kategorie Pflege & Betreuung

Kommentare zum Artikel

  1. Werner Sieg Kommentar vom 30.08.2016

    Chapeau!

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