Mo. 13.03.17Zwischen Essen und Ernähren können Welten liegen
Text: Dr. phil. Marcel Maier
Was kann am Essen schon kompliziert sein? Über das Essen hat doch jeder etwas dazu zu sagen. Und sowieso sind doch die «Geschmäcker verschieden». Weshalb sich also lange mit dieser Thematik aufhalten?
Essen ist weit mehr als reine, (wenn auch überlebenswichtige) Nahrungsaufnahme. Was aber auf den ersten Blick, als «pfannenfertig» gegeben erscheint, wird bei näherer Betrachtung zur hoch komplexen Materie mit vielen Zutaten. Vor allem dann, wenn wir uns über die Ernährung und das Essen im Pflegeheim unterhalten.
Ausser Frage sollte stehen, dass das Essen gerade im hohen Alter massgeblich dem Wohlbefinden und dem Genuss des Menschen dienen sollte. Auch darf und soll es ausgewogen und genussvoll zubereitet sein. Ebenso sind medizinisch-pflegerische Aspekte zu berücksichtigen (Stichwort «Malnutrition») wie auch individuelle Unverträglichkeiten, Essstörungen oder Allergien. Und selbstverständlich sind auch noch die Expertisen des Arzdienstes und weiterer Berufsgruppen (z.B. Pflegeexperten, Ernährungsberater etc.) relevant.
Ein Thema mit vielen Zutaten …
Die Nahrungsaufnahme im Pflegeheim ist ein Gemeinschaftserlebnis. Es fördert das Sozialverhalten innerhalb einer Gruppe, das Zusammensein und das «sich dazu gehörig fühlen». Mahl’zeiten’ strukturieren den Alltag und den Tagesablauf. Und sie sind (hoffentlich) Highlights des Tages, auf die man sich freuen kann. Saisonale Angebote (z.B. Weihnachtsgebäck, Grillwurst, Spargel etc.) vermitteln Botschaften und können Orientierung geben oder Emotionen wecken.
Unterschiedliche Kostformen neben der «Normalform» sind in vielen Pflegeheimen mittlerweile Standard und kommen regelässig zum Einsatz: pürierte Varianten oder Turmix in verschiedenen Variationen (weich gekocht, gehackt, fein geschnitten oder passiert), als Pürfom (angereichert mit Quark und Ei, anschliessend in Silikonformen im Ofen gegart, erhält die ursprüngliche Form zurück); Fingerfood oder Smoothfood. Ebenso wie Zusatznahrung (Zwischenmahlzeiten), angereicherte Kost oder Ergänzungsnahrung.
Interdisziplinäres Abschmecken
Die Verpflegung im Pflegeheim ist ein interdiziplinärer, gut synchronisierter Prozess mit vielen Beteiligten. Dies beginnt bei der optischen Gestaltung des Menüplans – er sollte gut lesbar, übersichtlich und einfach verständlich sein. Idealerweise auch ansprechend und adressatengerecht bebildert. Er geht weiter mit dem Bestellvorgang und endet in der Darreichung. Auch hier gibt es je nach Ausgangslage und Ziel eine Fülle von verschiedene Möglichkeiten: Beispielsweise Büffets, Tablettservice, Naschinseln oder ein «Familientisch», bei dem das Essen in der Gemeinschaft erfolgt und sich die Möglichkeit des Schöpfens der einzelnen Komponenten aus Schüsseln bietet.
Prämierte Küche
Intensiv mit dem Thema Ernährung – und vor allem Ernährung für Bewohnerinnen und Bewohner mit Essbeschwerden – hat sich das Pflegezentrum Mattenhof/Irchelpark beschäftigt. Im Rahmen des Projekts «Smoothfood: Sonderkost für Bewohnende mit Essbeschwerden» – das als Grundlage für ein neues Kursangebot diente – wurde der Menuplan um fünf Menüs erweitert, die auch unterstützend bei medizinische Indikatoren wie Schluck- oder Kaustörungen, Mangelernährung, Dehydration oder Verstopfung wirken. Das Projekt wurde am Demenz-Kongress 2016 von der Fachhochschule St. Gallen und der Viventis Stiftung mit dem «Viventis-Preis des St.Galler Demenz-Kongresses 2016» ausgezeichnet.
Dies war nur ein kleiner Anriss, um die Wichtigkeit und hohe Komplexität der Essensfrage zu thematisieren. Schlussendlich geht es darum, das subjektiv beste und auf allen Ebenen wohltuendste Essen für den alten Menschen zu finden und anzubieten. Mehr (und vor allem mehr Antworten als Fragen) erfahren Sie im Rahmen der «Zürcher Trendthemen Langzeitpflege», die sich in einem ganztägigen Symposium dem Thema «Ernährung und Alter»: Essen mit Leib und Seele» widmen.
Dr. phil. Marcel Maier
Leiter Schulungszentrum Gesundheit SGZ
marcel.maier@zuerich.ch
angebot.wissen-pflege-bildung.ch