Di. 15.08.17Gespräche über das Sterben: Wie ist das möglich?
Text: Marcel Meier
Sterbesituationen können eine Familie stark aufrütteln. Die Vorstellungen der beteiligten Familienmitglieder was zu einem «guten Tod» gehört, können weit auseinander gehen. Es ist wichtig, die Vorstellungen innerhalb der Familie zu klären, damit die Sterbephase des Angehörigen ein Prozess wird, den alle individuell begleiten können. Das Trauern beginnt dabei schon während der Erkrankungsphase und wird dort als vorweggenommenes Trauern oder «anticipatory grief» bezeichnet.
Diese Auseinandersetzung ist häufig belastend und sollte nach Möglichkeit vom Betreuungspersonal mitgestaltet werden. Es bedarf einer entsprechenden Sensibilisierung und Ausbildung der Fachkräfte.
Der «gute»Tod
Die Gewährleistung eines «guten Todes» ist immer das Wichtigste für Angehörige. Dieser wird mit einer hoch qualitativen Betreuung verknüpft. Aber was sollte die Betreuung beinhalten, damit Angehörige den Tod als «gut» empfinden? Wünsche und Bedürfnisse der Sterbenden müssen dazu erfasst und erfüllt werden. Munn et al. (2008) brachten es in ihrem Artikel auf den Punkt. Demnach definieren Angehörige den guten Tod mit Würde, Abschluss und Linderung. Dazu gehören folgende Unterthemen:
- Symptommanagement
- Dauer des Leidenswegs
- Vorbereitung auf den Tod
- Akzeptanz des Todes
- Familiensorge
In anderen publizierten wissenschaftlichen Artikeln wurde die Wichtigkeit des Vertrauens und der Sicherheit deutlich, was weitestgehend zur Familiensorge gezählt werden kann. Demnach haben Angehörige von sterbenden Bewohnern häufig existenzielle Fragen, mit denen sie sich auseinandersetzen müssen. Angehörige möchten psychisch wie emotional unterstützt werden. Insbesondere die Auseinandersetzung mit emotionalen Fragestellungen wird als sehr grosse Unterstützung empfunden.
Angehörige sind verunsichert, wenn es der erste Sterbefall in der Familie ist. Schwierig ist es aber auch, wenn die einzelnen Familienmitglieder unterschiedliche Ansichten beziehungsweise Erfahrungen zum Sterben vorweisen. In solchen Situationen ist es ratsam, die verschiedenen Bedürfnisse in Erfahrung zu bringen. Als hilfreich und vertrauenssteigernd wird die proaktive Informationsabgabe an die Angehörigen betrachtet. Die Klärung von Fragen beziehungsweise Gespräche über das Sterben unterstützt die Vorbereitung auf den bevorstehenden Tod.
Hilfsmittel für Pflegende
Vergleichbar mit dem Überbringen von schlechten Nachrichten (Breaking Bad News), sind die Hilfsmittel meist als Gesprächsleitfaden aufgebaut und enthalten ähnliche Bestandteile. Der australische Leitfaden mit dem Namen «Talking about Dementia and Dying» beispielsweise ist dabei spezifisch auf die Bedürfnisse von dementiell erkrankten Bewohnerinnen und Bewohnern und ihren Angehörigen zugeschnitten. Er verfolgt unter anderem das konkrete Ziel, Pflegende beim Ansprechen vom Thema «Sterben / Tod» bei Familien zu unterstützen. Strukturierte Gespräche haben generell einen nachweisbaren positiven Effekt auf die Zufriedenheit von Angehörigen. Ein strukturiertes Vorgehen hilft bessere und zufriedenstellende Entscheidungen treffen zu können und entlastet zudem das interprofessionelle Team.
Das Lebensbuch
Eine andere Möglichkeit, das Bedürfnis nach Familiensorge zu thematisieren oder zu leben, ist das Lebensbuch: Ein Buch, das die Bewohner mit allen wichtigen und besonderen Erinnerungen ihres Lebens füllen können und so dem Bedürfnis der Lebenswürdigung und des Austausches nachgegangen werden kann, aber auch ein Teil des Abschiednehmens möglich wird. Das Lebensbuch nimmt einen Teil in der spirituellen Betreuung der Bewohner/-innen aber auch der Angehörigen ein. Auch sie werden mit existenziellen Fragen konfrontiert, vielleicht mit dem eigenen Tod oder mit eigenen Erfahrungen. Diese Themen aufzugreifen und den Weg gemeinsam zu gehen gehört ebenfalls zu einer guten Betreuung. Dabei scheinen mir die von Daaleman et al. (2008) identifizieren Kernelemente der Spiritual Care wichtig: Präsent sein, offene Augen, Co-Creating (frei übersetzt: «gemeinsames Gestalten»). Einfach und zusammenfassend gesagt meint dies, Angehörige auf empathischer Art und aktiv zuhörend bei der Gestaltung des Trauerprozesses zu unterstützen.
Näheres zum Lebensbuch und weitere spannende Inputs zum Thema «Den Abschied leben» erfahren Sie am diesjährigen «Zürcher Fachsymposium Palliative Care» vom 28.9.2017 im Pflegezentrum Mattenhof.
Jeder stirbt (nur) einmal – Gestalten Sie den Tod aktiv mit
Gespräche über das Sterben und die Vorstellungen über den eigenen Tod sollten schon vor einem Eintritt in eine Institution mit der Familie geführt werden. Wenn dies nicht möglich war, liegt es an der Institution dazu Raum bereit zu stellen. Denn durch frühzeitige Gespräche ist es für alle Beteiligten möglich, die Sterbephase aktiv mitzugestalten, was entlastend wirkt.
Zu diesem Thema möchte ich eine persönliche Buchempfehlung aussprechen: Ibello Elena & Rüffler Anne. Reden über Sterben (2016). Rüffer & Rub Verlag. Zürich. Das Buch wurde von Gönnern und Mitgliedern von palliative zh+sh finanziert und thematisiert den Umgang mit dem Sterben. Es enthält viele wertvolle Inputs wie darüber gesprochen werden kann.
Eine ausführliche Literaturliste zum vorliegenden Blogbeitrag können Sie beim Autor beziehen.
Marcel Meier
Beauftragter Palliative Care
Pflegezentren Mattenhof, Irchelpark
Marcel.Meier.pzz@zuerich.ch
www.stadt-zuerich.ch/pflegezentren