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Ganz schön quer manchmal

Text: Lucia Zimmermann

Quereinsteiger/-innen sollen dazu beitragen, den Fachkräftemangel in der Pflege zu beheben. Diese Erkenntnis hat sich durchgesetzt und diese Zielgruppe wird bewusst beworben. Erfahrene Berufsleute wechseln aus verschiedenen Gründen in den Pflegeberuf. Sei es, weil sie ihrem Berufsleben einen anderen Sinn verleihen wollen, weil sie mehr Leben erfahren wollen, sei es, weil sie in ihrem angestammten Beruf keine Perspektiven mehr haben oder schlicht nicht mehr gebraucht werden.

 

Umworbene Quereinsteiger/-innen

Die Werbemassnahmen tragen Früchte. Es gibt eine zunehmende Zahl von Interessierten. Die finanziellen Bedingungen für die Ausbildung sind attraktiver geworden, was die Möglichkeiten für die Einzelnen erhöht. Die Ausbildungsverpflichtung in vielen Kantonen führt dazu, dass auch in Betrieben der Langzeitpflege Ausbildungsplätze auf HF-Stufe angeboten werden und Quereinsteigende sind auch dort gefragt.

Vor ein paar Jahren bin ich von einem Betrieb angefragt worden, ob ich nicht mit ihren Berufsbildnern eine Fortbildung zum Thema Quereinsteigende in der HF-Ausbildung machen könnte. Grundsätzlich laufe es mit den Anforderungen der HF-Ausbildung gut, aber mit den Quereinsteigenden sei es manchmal schwierig … schwieriger als erwartet.

 

Enttäuschung wegen falschen Erwartungen

Das Berufsbildungsteam und auch die Pflegeteams hatten sich auf die ersten Quereinsteigenden gefreut. Sie erwarteten reife, motivierte und selbständige Studierende, mit denen sie weniger Betreuungsaufwand haben würden und die schnell zu wertvollen Teammitgliedern werden würden. Soweit der Wunsch. Die Realität sah dann anders aus. Die älteren Quereinsteigenden bekundeten Mühe mit dem Transfer ihres Wissens in die Praxis. Sie konnten sich nicht reibungsfrei in Teams integrieren. Sie hatten eigene Ansichten, was die Pflege und Betreuung anging und taten diese auch kund. Nichts war mit der grossen Unterstützung fürs Team und der Selbständigkeit im Lernprozess. Stattdessen brauchte es mehr Anleitung, Begleitung und Gespräche. Die genannten Probleme aus Sicht der Ausbildenden waren Selbstüberschätzung, Kompetenzüberschreitung und unrealistische Erwartungen an den Beruf. Es gab mühsame und konflikthafte Abgleiche von Fremd- und Selbstbildern. Enttäuschung machte sich breit. Kurz: Manche Quereinsteigende lagen den Bildungsteams und den Pflegeteams etwas quer im Magen resp. in der Befindlichkeit.

 

Auch die eigene Einstellung hinterfragen

An diesem internen Fortbildungstag, an dem das gesamte Berufsbildungsteam und einige Abteilungsleitungen teilnahmen wurde viel diskutiert, die eigene Einstellung und die vielleicht überhöhten Erwartungen wurden kritisch hinterfragt. Die Teilnehmenden setzten sich mit den Herausforderungen auseinander, die die Quereinsteigenden zu bewältigen haben.

Ein grosses Thema dabei ist die berufliche Sozialisation. Wenn man seit seiner Jugend im Gesundheitswesen tätig ist, ist es kaum mehr nachzuvollziehen, wie fremd diese Welt mit ihrer ganz eigenen Sprache für Aussenstehende sein kann.

 

Berufliche Identität und Sozialisation

Quereinsteigende haben ihre berufliche Sozialisation in der Versicherungsbranche, in der Hotellerie und vielen anderen beruflichen Bereichen gemacht. Sie kommen nach einem Semester Studium an der höheren Fachschule in eine neue Welt, deren ungeschriebene Gesetze sie nicht kennen. Sie haben sich zwar eine enorme Menge an Wissen angeeignet. Das konnten sie aber nicht unmittelbar mit Erfahrungen verknüpfen, wie das Kolleginnen tun, die zum Beispiel schon eine FAGE-Ausbildung gemacht haben. Und da sind sie nun mit ihrem Wissen und ihren Vorstellungen und erleben etwas ganz anderes als erwartet.

 

Fremdheitsgefühle auf beiden Seiten

Im Kleinen erlebt man dieses Eintreten in eine fremde Welt bei jedem Stellenwechsel und im Grossen erleben das Menschen, die migrieren. Die in einem anderen Land, einer anderen Kultur zu leben und arbeiten beginnen. Dieses Gefühl von Fremdheit in unterschiedlichen Ausprägungen erleben wohl auch Quereinsteigende in der Berufswelt der Pflege. Dazu sind sie mit eigenen und fremden Leistungserwartungen konfrontiert. Und das in einem Alter, in dem man nicht mehr gleich formbar ist, wie in jungen Jahren, in dem auch das reine Faktenlernen nicht mehr ganz so schnell geht wie früher.

Und die Fremdheit ist gegenseitig. Die Quereinsteigenden haben noch keine berufliche Identität als Pflegende. Sie denken und fühlen nicht als Pflegende.

Darüber sprechen hilft

Schon allein die Auseinandersetzung mit diesen Themen weckte in den Berufsbildenden und Führungspersonen die Erkenntnis, dass die Quereinsteigerinnen eben nicht weniger, sondern eher mehr Begleitung brauchen. Und wenn das Bildungsteam und das Pflegeteam sich darauf einstellen, bleibt auch die Enttäuschung aus.

Sprechen auch Sie über das Thema, klären Sie die Erwartungen. So wird das eine Erfolgsgeschichte mit den Quereinsteigenden. Denn das Gesundheitswesen braucht sie.

Kursangebot am SGZ «Unterstützung von Quereinsteigenden in der Ausbildung Pflege HF» oder planen Sie einen gemeinsamen Fortbildungstag der Berufsbildenden und der Abteilungsleitenden.

Literatur:

 

Lucia Zimmermann
Schulungszentrum Gesundheit SGZ
Programmleiterin Bildung
lucia.zimmermann@zuerich.ch
angebot.wissen-pflege-bildung.ch

Kommentare: 1 | Autor: SGZ | Kategorien: Kategorie Ausbildner/-innen

Kommentare zum Artikel

  1. Kerstin Schmölzer Kommentar vom 16.07.2018

    Liebe Frau Zimmermann,

    gerne möchte ich auf den Titel Ihres Beitrages mit einer Gegenfrage antworten.

    Ganz schön quer manchmal/ … oder eher eine Frage der Perspektive?

    Und dies führt zur Folgefrage: Stimmt unsere Erwartungshaltung?

    Darf man aufgrund persönlicher Reife und beruflicher Vorerfahrungen wirklich einen geringeren Betreuungsaufwand von „Quereinsteigern“ erwarten? Die Fachkompetenzen, welche sich Studierende aneignen, unterscheiden sich ja in keinster Weise von jenen, der regulär Studierenden.

    • Ein pflegefremder Hintergrund ermöglicht den Studierenden eine Aussenperspektive, die es ihnen erlaubt, Dinge aus einem anderen Blickwinkel kritisch zu hinterfragen. Würde der Betreuungsaufwand dadurch geringer werden, resultiert daraus aber gleich eine weitere Frage. Nämlich, ob wir genau dieser wertvollen Aussenperspektive eventuell nicht den passenden Raum und die zeitlichen Ressourcen einräumen? Also aus meiner Sicht ist es fragwürdig, über Zeitersparnis in der Anleitung von Quereinsteigern nachzudenken.

    • Gerne möchte ich hier mit dem Zitat von Sokrates: „Umso mehr ich weiss, desto eher weiss ich, dass ich nichts weiss“, bekräftigen, dass es genau dieser Fokus ist, der uns täglich dazu hinführen sollte, unsere eigenen Tätigkeiten zu hinterfragen. Für die nötigen Rahmenbedingungen sind wir in den Betrieben verantwortlich.
    Geleitet von diesen Gedanken, möchte ich aber zu meiner ursprünglichen Frage zurückkommen. Ist es unsere Erwartungshaltung die oftmals unerfüllt bleibt und eventuell sogar negative Gefühle gegenüber der Gruppe der „Quereinsteiger“ auslöst, oder liegt es nun doch an uns selbst, die Brille zu wechseln, sogenannte „Defizite“ als Ressourcen zu erkennen, den erforderlichen Rahmen zu stellen und somit die Perspektive zu wechseln, um nicht zuletzt einen Teil der gesellschaftlichen Verantwortung mitzutragen?
    Eine Frage, die uns bestimmt noch länger begleiten wird.

    Kerstin Schmölzer,
    Bildungsverantwortliche Spitex Zürich Limmat AG

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