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Demenz verstehen mit Hands-on Dementia

Das Gedächtnis ist (meist) stabil und flexibel

Text: Beatrice Widmer

Vielleicht ist Ihnen das auch schon passiert? Sie möchten kochen und stellen fest, dass Sie im Keller oder Vorratsraum die entsprechenden Lebensmittel holen müssen.

Kurzzeitige Amnesie

Auf dem Weg dorthin fragen Sie sich plötzlich: Was wollte ich jetzt eben gerade noch? Dann kommt Gott sei Dank ja meist das kurzzeitig ausgesetzte Erinnerungsvermögen zurück, aber nicht immer vollumfänglich! Was war das noch alles? Zwei Sachen kommen Ihnen sofort in den Sinn, doch der Rest ist weg, auf wundersame Weise aus dem Gedächtnis entschwunden und kommt erst wieder zum Vorschein, wenn Sie zurück in die Küche laufen oder vor den leeren Pfannen stehen. Solche Momente sind schon speziell. Da ist man echt erleichtert und dankbar, dass die Vergesslichkeit so plötzlich wie sie gekommen ist, wieder verschwindet und denkt: Zum Glück nur Gedankenlosigkeit, wer keinen Kopf hat, der hat halt Beine!

 

Eine unvergessene Zugsfahrt

Mit dem Gedächtnis ist es so eine Sache: Manchmal bemerkt man eine gewisse Zeit gar nicht, dass man sich in einem amnestischen Zustand befindet. Die Folgen davon können jedoch noch lange in Erinnerung bleiben. Ich hatte da nämlich eine Zugfahrt, die war ganz speziell. Wie jeden Tag pendelte ich nach Zürich, das Abteil war gut besetzt mit anderen Reisenden. Doch mit denen stimmte etwas nicht! Die schauten mich alle so komisch an, mehr oder weniger diskret. Einige haben auch gelächelt oder den Kopf geschüttelt. Mit der Zeit wurde es mir zu viel und ich habe mir gedacht: Geht’s noch, was haben die bloss alle, können die nicht in ihr Handy oder in die Zeitung schauen, anstatt mich anzustarren. Nach dem Ärger kam die Verunsicherung. Ich hatte die Gewissheit, dass ich heute Morgen adäquat angezogen das Haus verlassen hatte, und trotzdem stimmt wohl was nicht mit mir, aber was? So diskret als möglich schaute ich an mir herunter und entdeckte zu meiner linken Seite etwas, was da nicht hingehörte und auch nicht hätte mit nach Zürich kommen sollen.

 

Des Rätsels Lösung

Ich muss sagen, meine Entdeckung erstaunte, belustigte, beschämte und verängstigte mich gleichzeitig. Jetzt hatte ich Klarheit darüber, warum mich alle Mitreisenden so «faszinierend» fanden. Neben mir stand noch der Kehrichtsack, der eigentlich vor dem Haus hätte deponiert werden sollen. Innerlich machte ich folgende Zusammenfassung: Ich habe ihn also aus dem Haus getragen, ins Auto geladen, beim Bahnhof ausgeladen, ans Perron geschleppt, bin damit in den Zug gestiegen. Erst nachdem mich meine Mitreisenden so komisch angeschaut haben und mir deswegen Zweifel aufgekommen sind, habe ich den mitgeschleppten Abfall entdeckt. Einfach unglaublich, was einem an einem ganz gewöhnlichen Morgen so alles passieren kann. Oder unglaublich, was man am Morgen schon merkwürdiges anstellen kann … Und erst noch, ohne es lange Zeit zu bemerken.

 

Schwamm drüber

Zum Glück gingen von diesem Corpus Delicti nicht auch noch nennenswerte Geruchsemmissionen in Richtung Zugabteil. Als ich schlussendlich bei meinem Arbeitsplatz angekommen war, konnte ich mich der Sache entledigen. Aus und vorbei mit dem unliebsamen Begleiter namens Kehrichtsack und den damit verbundenen Peinlichkeiten, einfach Schwamm drüber, habe ich gedacht. Aus den Augen aus dem Sinn, wie man so schön sagt. Aber wie Sie gerade lesen können, ist es mir bis heute nicht gelungen, die Sache zu vergessen.

 

Temporärer versus Dauerzustand

Vielleicht ist Ihnen auch schon etwas in der Art passiert. Das ist im ersten Moment beschämend und peinlich. Später kann man über eine solch unmögliche Situation, in die man sich gebracht hat, herzhaft lachen. So ist es mir jedenfalls ergangen. Dies, weil ich die Gewissheit hatte, dass dieser Zustand nur temporär war. Und weil ich einordnen konnte, was dazu geführt hatte und weil ich rasch wieder die Kontrolle über mein Handeln gewonnen habe.

Es ist etwas Wunderbares und leider nicht selbstverständlich, wenn man sich erinnern kann, Situationen einschätzen sowie Schlussfolgerungen und Entscheidungen für das eigene Handeln treffen kann. Personen mit Demenz sind darin zusehends eingeschränkter. Die Alltagsgestaltung wird zur Herausforderung und der Unterstützungsbedarf wird immer grösser. Das ist für sie selber, als auch für ihr Umfeld eine grosse Herausforderung.

Haben Sie beruflich oder privat Kontakte mit Personen mit Demenz und sich auch schon gefragt: Wie mag das wohl sein, mit zunehmenden kognitiven Einschränkungen im Alltag zurechtkommen zu müssen? Wir haben dazu ein neues Bildungsangebot entwickelt: Demenz verstehen mit Hands-on Dementia. Durch Simulationen von demenztypischen Beeinträchtigungen tauchen Sie in den komplexen Tagesablauf von Personen mit Demenz ein. Dadurch wächst das Verständnis für sie.

 

Beatrice Widmer
Schulungszentrum Gesundheit
Programmleiterin Bildung
beatrice.widmer@zuerich.ch
www.stadt-zuerich.ch/sgz

 

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Kommentare: 0 | Autor: SGZ | Kategorien: Kategorie Pflege & Betreuung

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