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Deutsch by night – Erfahrungsbericht einer Deutschlehrerin

Text: Gabi Burkhalter

«Sind Sie voll?»

«Gesucht: Lehrperson für Deutsch als Fremdsprache, um die sprachlichen Kompetenzen von Mitarbeitenden in der Pflege zu fördern.»

So lautete die Stellenanzeige. Perfekt, dachte ich für mich. Eine ideale Möglichkeit, meinen früheren Beruf als Krankenschwester mit meiner neuen Tätigkeit als Sprachlehrerin zu verknüpfen.

Nach einem angenehmen Bewerbungsgespräch ging es schon bald zur ersten Sitzung, bei der wir besprachen, welche Themenbereiche in welchem Modul und für welche Zielgruppe behandelt werden. Gott sei Dank konnten wir dabei auf die grosse Erfahrung von Claudia Russenberger zurückgreifen, die einen Deutschkurs für Pflegende in Alterszentren vor einigen Jahren schon einmal zusammengestellt und angeboten hatte.

Danach hiess es die Module mit Inhalten zu füllen. Die Themenbereiche sollten sich an den verschiedenen ATLs orientieren. Soviel war mir vorgegeben. Aber welches grammatikalische Thema eignete sich wohl für welches ATL am besten? Welcher Wortschatz nützt meinen zukünftigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer am meisten? Auf welche Schwerpunkte der einzelnen ATLs soll ich vertieft eingehen? Dies waren meine ersten Fragen und Überlegungen. Langsam und im Gespräch mit ehemaligen Arbeitskolleginnen aus der Pflege kristallisierte sich ein grober Lehrplan heraus.

Anfang März war es dann endlich soweit: Kursstart von Modul 1 «Wir betreuen Menschen». Viel zu früh war ich schon im Kurslokal an der SGZ im Pflegezentrum Käferberg um mich optimal vorbereiten zu können. Um so grösser meine Überraschung, als 2 Kursteilnehmerinnen schon am Eingang auf mich warteten. Sie hatten sich in der Zeit vertan und gemeint, der Kurs fange eine Stunde früher an. Langsam trafen auch die anderen ein, bis mich 12 Teilnehmer und Teilnehmerinnen erwartungsvoll anblickten.

Die erste Vorstellungsrunde ergab, dass sie aus allen Herren Ländern, von Südafrika über Portugal bis Indien kamen. Alle waren sie schon seit einigen Jahren in der Schweiz und in der Langzeitpflege tätig. Die mündliche Verständigung war bei niemandem das Problem, der Wortschatz war bei allen sehr breit und facettenreich. Doch alle äusserten Mühe beim Erstellen von schriftlichen Beiträgen. Dabei hatten sie ganz konkrete Fragen: Wie ist die Satzstellung in einem Nebensatz mit «dass» oder «weil»? Wie lauten die Endungen der Adjektive in den verschiedenen Fällen? Was ist die Mehrzahl von Kinn? Kinne? Welches andere Verb kann ich noch benutzen anstelle von «essen»? Diesen und vielen anderen Anliegen gingen wir im Verlauf der nächsten 6 Kursabende auf den Grund. Wir erstellten Mindmaps mit Wortfeldern zu verschiedenen Themen, Tabellen mit den Deklinationsendungen und lösten Verschiebepuzzles mit den verschiedensten Konjunktionen. Auch ich lernte in dieser Zeit einiges. So zum Beispiel den Ausdruck «mit Hilfe von Gewichtsübernahme» oder die Abkürzung «PP» und «BW».

Ebenfalls ein Thema waren immer wieder die Unterschiede zwischen deutscher Standardsprache und der Umgangssprache in der Schweiz. Überrascht waren die Teilnehmer, als ich ihnen erklärte, dass wir «hocken» zwar ohne Weiteres in der Umgangssprache sagen können, es in der Standardsprache aber «sich niederkauern» bedeutet. Dies könnte also zu Missverständnissen führen, wenn sie «der Bewohner hockt am Bettrand» in einer Pflegedokumentation verwenden.

Amüsant und treffend fand ich die Anekdote einer Kursteilnehmerin zum Thema Standardsprache/Umgangssprache: Sie hatte gehört, wie ein Bewohner nach dem Mittagessen sagte: «Puh, ich bin voll!» Richtig erkannte die Teilnehmerin, dass dies eine andere Art war, zu sagen, dass man satt sei. Umso grösser war ihre Verwirrung, als sie ein paar Tage später nach dem Essen eine andere Bewohnerin fragte: «Sind Sie voll ?» und nur einen eisigen, konsternierten Blick erntete. Die Bewohnerin dachte, ihr werde zu übermässiger Alkoholkonsum vorgeworfen …

Dieses Beispiel machte mir wieder einmal klar, wie nuancenreich unsere (bzw. jede) Sprache ist. Solche Geschichten waren es auch, die die Kursabende lebendig und praxisnah werden liessen. Alle konnten wir so voneinander profitieren. Von den anderen Kursteilnehmern wird wohl niemand mehr einen Bewohner fragen: «Sind Sie voll ?»

Grossartig war auch die hohe Motivation der Teilnehmer und Teilnehmerinnen. Egal ob sie nach einem anstrengenden Arbeitstag oder noch vor der Nachtwache in den Kurs kamen, sie arbeiteten immer voller Elan und Konzentration mit und waren für jeden Hinweis, Tipp oder auch jede Korrektur äusserst dankbar!

An dieser Stelle noch ein riesiges Dankeschön an alle Kursteilnehmer und Kursteilnehmerinnen. Ohne Euch wäre der Kurs nicht so ein Erfolg geworden, und ich freue mich schon auf das nächste Modul mit Euch!

Gabi Burkhalter
Kursleiterin «Deutsch by night» am SGZ

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Kommentare: 1 | Autor: SGZ | Kategorien: Kategorie Sprache & Kompetenz

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