Fr. 16.09.16Fachkräftemangel im Pflegebereich – eine Realität, was tun?
Beatrice Widmer, Programmleiterin am SGZ, im Gespräch mit Peter Lehmann, Ausbildungsverantwortlicher der Pflegezentren der Stadt Zürich.
Unser Blogbeitrag vom 30. Mai 2016 «Als Senior-«Lehrling» zurück in eine Arbeitswelt, wo Fachkräftemangel herrscht» hat zahlreiche positive Reaktionen ausgelöst. Dabei sind unter anderem verschiedenste Fragen zu den Rahmenbedingungen für die Studiengänge Höhere Fachausbildung Pflege bei uns eingegangen. Dies hat uns veranlasst, darauf einzugehen und mit dem Ausbildungsverantwortlichen der Pflegezentren der Stadt Zürich, Peter Lehmann, ein Interview zu führen.
Zum Profil Höhere Fachausbildung
Absolvierende der Höheren Fachausbildung werden darin befähigt, selbstständig Fach- und Führungsverantwortung in ihren Bereichen zu übernehmen. Diese Bildungsgänge sind praxisorientiert und fördern die Fähigkeit für ein analysierendes und vernetztes Denken bei branchenbezogenen Aufgabestellungen. Der erfolgreiche Studienabschluss führt zu einem eidgenössisch anerkannten Diplom. Die Höheren Fachausbildungen (HF) sind innerhalb der schweizerischen Bildungssystematik gemeinsam mit den eidgenössischen Berufs- und höheren Fachprüfungen in der Tertiärstufe B positioniert. Die Bildungsgänge bauen auf der Sekundarstufe II (berufliche Grundbildung) auf.
Die Pflegezentren der Stadt Zürich (PZZ) als grosser Ausbildungsbetrieb
Pro Jahr werden in den PZZ zwischen 100 und 150 neue Lernende und Studierende aufgenommen. Die Vorselektion erfolgt sowohl zentral als auch dezentral. In der Vorselektion werden pro Jahr ca. 1’500 Dossiers überprüft, beurteilt und administriert. Die einzelnen Betriebe führen schliesslich die Selektion durch und entscheiden über eine Anstellung. Im weiteren werden pro Jahr zwischen 80 und 100 Praktikanten/Praktikantinnen in der Pflege aufgenommen, die durch die Ausbildungsabteilung in den Betrieben begleitet werden. Die Ausbildungsabteilungen arbeiten in diesem Bereich mit verschiedenen Anbietern von Brückenangeboten zusammen (10 Schuljahr). Jeder Betrieb der PZZ verfügt über eine Ausbildungsbewilligung.
Das Interview
Die PZZ sind seit 10 Jahren auch Ausbildungsort für die Höhere Fachausbildung Pflege – dies in guter Zusammenarbeit mit den beiden Berufsfachschulen im Kanton Zürich (Careum und ZAG). Weshalb haben sich die PZZ dazu entschlossen, HF-Studierende Pflege auszubilden und einen Grossteil der Studierenden auch selber (Direktanstellung bei den PZZ) zu rekrutieren?
Peter Lehmann: Die PZZ starteten 2003 mit den ersten Lernenden Fachpersonen Gesundheit (FaGe). Im Jahre 2006 konnten wir die ersten «selber ausgebildeten» FaGe‘s als Fachkräfte anstellen. Zur Etablierung dieses neuen Berufsbildes gehörte auch, dass der Skill und Grade Mix¹ überdenkt werden musste. Um die Integration der FaGe’s optimal zu gestalten, wurde ein Projekt für einen kompetenzgerechten Einsatz dieser Mitarbeitenden erstellt und durchgeführt. Damit wollten wir bewirken, dass die frischgebackenen Berufsleute ihre Rolle finden. Und, wir wollten ihnen – als ausgebildete Fachkräfte – einen attraktiven Arbeitsort schaffen. Daraus entwickelte sich das ABC-Pflegeorganisationsmodell, das heute in allen Betrieben der Pflegezentren etabliert ist. Die Integration des neuen Berufsbildes war gelungen!
Die interne Personalförderung ist für uns sehr wichtig. Eine mögliche Option der Zukunftsperspektive oder auch Karriereschritt für diese Mitarbeitenden ist unter anderem das Studium HF Pflege. Ferner war es für uns klar, dass wir auch einen Beitrag zur Ausbildung von HF Studierenden leisten möchten, um neue Mitarbeitende zu gewinnen. Anfänglich waren die Höheren Fachschulen im Kanton Zürich für die Rekrutierung der Studierenden zuständig. Im Laufe der Jahre wurde diese Praxis verändert, sodass auch die PZZ Studierende einberufen konnten. In den PZZ wurde ein fundiertes Ausbildungskonzept für die Begleitung von HF Studierenden erstellt.
Skill und Grade Mix¹: Unter Skill-Mix wird die passende Teamzusammensetzung im Bezug auf Fähigkeiten, Berufs- und Lebenserfahrung verstanden. Beim Grade-Mix geht es um die Durchmischung unterschiedlicher Bildungsabschlüsse innerhalb der Pflege.
Es gibt mittlerweile diverse Wege, um ein HF-Studium in Pflege zu absolvieren. Welche davon werden in den PZZ ermöglicht?
Lehmann: Es gibt bei uns zahlreiche Möglichkeiten, nämlich:
- Der berufsbegleitende Bildungsgang HF 60 % am Careum Bildungszentrum (CBZ) für Quereinsteiger/-innen mit erfolgreichem Vorjahr am CBZ. Diese Interessentinnen/Interessenten müssen 30 Jahre alt sein und eine abgeschlossene Berufsausbildung vorweisen können. Das Studium dauert insgesamt 4 Jahre.
- Für die Vollzeitausbildung HF sind folgende Aufnahmekriterien zu erfüllen: Abgeschlossene berufliche Grundbildung oder Matura und ein Mindestalter von 18 Jahren. Diese Ausbildung dauert 3 Jahre. Die Rekrutierung dieser Teilnehmenden erfolgt durch die Höheren Fachschulen.
- Die Vollzeitausbildung HF für Quereinsteiger/-innen mit Berufsabschluss: Da ist das Mindestalter 30 Jahre, die Ausbildung dauert 3 Jahre.
- Der berufsbegleitende Bildungsgang HF (erfolgt nach modularem Ablauf am ZAG) für Mitarbeitende im Pflegebereich ab 22 Jahren. Die Dauer ist individuell (zwischen 1–4 Jahren), je nach Anzahl Modulen, die absolviert werden müssen.
- Pflegefachfrau/Pflegefachmann HF als Zusatzausbildung zur FaGe (HF plus). Dieser Bildungsgang ist explizit für Fachpersonen Gesundheit ab 18 Jahren und dauert in der Regel 2 Jahre.
Was sind genau die betrieblichen Aufnahmekriterien, um bei den PZZ als Quereinsteiger/-in zum HF-Studium zugelassen zu werden?
Lehmann: Zuerst kommen Interessentinnen/Interessenten an eine der regelmässig stattfindenden Informationsveranstaltungen. Dort werden ihnen unter anderem die Zutrittsbedingungen näher erläutert. Das Selektionsverfahren und Assessment ist umfangreich und standardisiert. Auch dazu existiert ein verbindliches Rekrutierungskonzept, in dem die verschiedenen Schritte genau deklariert sind. Das Bewerbungsdossier muss beispielsweise sauber, gut leserlich und vollständig sein. Es beinhaltet einen Lebenslauf mit aktuellem Foto, ein Bewerbungs- und Motivationsschreiben, Arbeitszeugnisse, Ausweise und/oder Diplome.
Bei ausländischen Bildungsabschlüssen muss ein Anerkennungsentscheid durch das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation vorliegen. Ferner ist ein europäisches Sprachportfolio Deutsch Niveau C1 oder C2 notwendig. Dann wird der Aufnahmeentscheid der Höheren Fachschule (ZAG/CBZ) benötigt. Im weiteren muss die Person einen Multicheck professional und eine Persönlichkeitsanalyse bewältigen und einen Strafregisterauszug vorlegen. Nach bestandener Dossierprüfung wird die Bewerbung an eines unserer Pflegzentren weitergeleitet. Dort erfolgt ein Vorstellungsgespräch. Verläuft dieses positiv, so findet ein Eignungspraktikum mit Selektionscharakter statt. Vor der definitiven Anstellung muss eine ganzheitliche vertrauensärztliche Untersuchung (körperliche und psychische Verfassung) geschehen. Erst nach der Vereinbarung zwischen der höheren Fachschule (CBZ/ZAG) und der/des zukünftigen Studierenden wird der definitive Entscheid über eine Anstellung in den PZZ gefällt.
Wie ist die finanzielle Regelung für Quereinsteiger/-innen während des Studiums?
Lehmann: Der Ausbildungslohn für Quereinsteiger/-innen, Eintrittsalter ab 30 Jahren, beträgt:
- Im 1. Ausbildungsjahr Fr. 4‘000.– pro Monat
- Im 2. Ausbildungsjahr Fr. 4‘300.– pro Monat
- Im 3. Ausbildungsjahr Fr. 4‘600.– pro Monat
Noch eine wichtige Anmerkung: Wir verlangen von den zukünftigen Studierenden, dass sie eine Budgetplanung machen und diese uns vorlegen. Damit soll sichergestellt werden, dass die betreffenden Personen trotz geschmälertem Budget während der Studienzeit nicht durch «unvorhergesehene» finanzielle Engpässe blockiert werden.
Was empfiehlst du Betrieben, die in die Ausbildung von HF-Studierenden Pflege einsteigen möchten und was gilt es da bedenken?
Lehmann: Alle relevanten Abteilungen eines Betriebes sollen sich vorgängig mit der Thematik auseinandersetzen. Das diplomierte Pflegefachpersonal muss fachlich sehr versiert sein. Das heisst, bei geriatrischen, gerontopsychiatrischen und weiteren Fachbereichen sollen sie über hochprofessionelle Handlungsstrategien verfügen. Das Pflegeteam soll einen guten Skill und Grade Mix aufweisen.
Ich bedanke mich herzlich für das Interview.
Beatrice Widmer im Gespräch mit Peter Lehmann
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