Di. 26.02.19Pflegen Sie Ihren Teamgeist!
Text: Lucia Zimmermann
Wenn wir unseren Teamgeist pflegen wollen, sollten wir diesen Geist überhaupt erstmal aus der Flasche lassen. Teamgeist entsteht, wenn eine Gruppe oder ein Team so richtig gut zusammenarbeitet. Wenn alle voll dabei sind, sich in den Dienst der Sache stellen und wenn gemeinsam grosse Aufgaben bewältigt werden. Das Gefühl von Zusammengehörigkeit, das glückliche «Wir-Gefühl», oft beschrieben und noch öfter beschworen.
Die grosse Sehnsucht
Der tolle Teamgeist scheint eine grosse, jedoch selten wirklich erfüllte Sehnsucht zu sein. Ein ganzer Wirtschaftszweig lebt von der Suche nach dem richtigen Team-Spirit. Mit manchmal abenteuerlichen, exotischen und oft kostspieligen Methoden werden Teams entwickelt, «gebuildet», wie es Neudeutsch heisst. Immer ausgefallener werden die Massnahmen und vollmundig sind die Versprechen. Manch eine/r zuckt nur noch mit den Schultern nach dem Motto: Haben wir an der letzten Arbeitsstelle auch schon gemacht, war lässig, aber hat auch nichts gebracht …
Ja, auch ich verdiene einen Teil meines Geldes mit Teamentwicklungsmandaten. Weniger auf der abenteuerlichen als auf der pragmatischen Seite. Und ich verstehe mich weniger als Entwicklerin des Teams denn als Coach der Leitung oder des selbstgesteuerten Teams.
Wie entsteht Teamgeist?
Aus meiner pragmatischen, gruppendynamischen Perspektive braucht der Teamgeist in erster Linie Zeit. Zeit, in der das Team sich mit sich selber beschäftigen kann. Das Team muss Vereinbarungen treffen über Zusammenarbeit, über Kommunikations- und Verhaltensregeln, über Aufgabenverteilung etc. Auch wenn man diese einfach aus der Hierarchie vorschreiben könnte und das auch oft genug tut, braucht das Team die Diskussion darüber. Denn im Gespräch über die gemeinsame Vorgehensweise lernen die Teammitglieder einander besser kennen. Sie stellen fest, dass sie eventuell unter einem Begriff unterschiedliche Dinge verstehen und daraus Unterschiede im Verhalten entstehen. Nicht nur in der Anfangsphase braucht das Team Zeit, sondern immer wieder für die gemeinsame Evaluation und Reflexion der Zusammenarbeit. Leider nehmen sich die meisten Teams diese Zeit nicht. Materialräume, Instrumente, Maschinen und Medikamente werden regelmässig gewartet, gereinigt und auf ihre Funktionalität geprüft, aber nicht das Team. Dafür soll schliesslich der Teamgeist sorgen.
Zwischenmenschliche Grundbedürfnisse
Eine hilfreiche Sichtweise für das Teamgeschehen sind die drei Themen Zugehörigkeit, Macht und Intimität, die ein Team und jedes Mitglied der Gruppe immer wieder in Balance bringen müssen (siehe auch «der gruppendynamische Raum»). Sie gehen zurück auf Will Schutz, der diese zwischenmenschlichen Grundbedürfnisse 1958 beschrieben hat. Der Teamgeist liebt es, wenn diese Themen in einem ausgewogenen Verhältnis sind, sowohl für jedes Individuum als auch für alle zusammen.
Zugehörigkeit
Menschen sind soziale Wesen, sie wollen sich zugehörig fühlen, Teil eines grösseren Ganzen sein. Zugehörigkeit erleben sie in der Familie, in der Paarbeziehung, in der Peergruppe oder eben auch im Arbeitsteam. Gleichzeitig möchten sie aber auch für sich sein, ihre Einzigartigkeit, ihre Individualität leben. Wie viel Individualität lässt denn der Teamgeist zu? Das ist beim sehr laut besungenen Teamgeist oft nicht sehr viel – was vor allem von aussen Kommende feststellen müssen. Da gilt oft «anpassen oder draussen bleiben».
Macht – Einfluss – Steuerung
Mit diesen Worten wird das Bedürfnis beschrieben, irgendwie die Situation beeinflussen zu können, sein Umfeld zu gestalten, die eigenen Ideen, Bedürfnisse und Wünsche durchzusetzen, Einfluss auf andere zu nehmen. Jeder Mensch verspürt dieses Bedürfnis in unterschiedlicher Ausprägung. Neben der formalen Macht der Leitung gibt es vielfältige informelle Mächte. Die Macht der Worte, der geschliffenen Sprache oder die Macht des Schweigens. Die Macht der Kopfschmerzen und die Macht des Lachens und viele andere mehr. Auf welche Art üben Sie Einfluss aus? Sind Sie sich dessen bewusst? Fragen Sie doch mal ihre Kolleginnen/Kollegen im Team. Um die Komplexität zu reduzieren, klammere ich die Sichtweise der Machtausübung über Klientinnen/Klienten, Bewohner/-innen und Patientinnen/Patienten aus diesen Ausführungen aus.
Intimität
Damit ist das Bedürfnis nach menschlicher Nähe, nach Zuneigung, nach Liebe gemeint. Nähe und Distanz ist das im Gesundheitswesen bekannte Begriffspaar. Auch im Team geht es darum. Die Beziehungen zwischen den Teammitgliedern sind unterschiedlich. Die einen sind sich sehr nahe, die anderen bleiben lieber etwas auf Distanz. Es gibt Sympathie und Antipathie, sexuelle Anziehungskraft und Irritationen darüber und vieles mehr. Das alles bleibt nicht ohne Auswirkungen auf das Geschehen im Team. Wie viele Unterschiede in den Beziehungen lässt der Teamgeist zu? Stören Paarbildungen und Untergruppen den Teamgeist?
Fazit
Sie sehen, es ist nicht so ganz einfach mit dem Teamgeist. Er will, dass man sich ab und zu mit ihm beschäftigt, sich Zeit nimmt für ihn. Den Teamgeist pflegen bedeutet, im Team darüber reden, wie die Aufgaben erfüllt werden, wie die Zusammenarbeit und die Kommunikation laufen, wie Konflikte gelöst oder gemanagt werden und wie es den einzelnen Teammitgliedern bei all dem geht. Können sie ihre zwischenmenschlichen Grundbedürfnisse genügend befriedigen, damit es ihnen wohl ist im Team? Wenn ein Team diese Fragen offen, konstruktiv und in angemessener Zeit besprechen kann, dann entwickelt sich ein guter, ein zu diesem speziellen Team gehörender Teamgeist. Und er hilft mit einem gemeinsamen Lachen über manche Schwierigkeit hinweg. Denn Humor hat und braucht jeder gute Teamgeist. Unbedingt!
Wie Sie als Leitungsperson den Teamgeist Ihres Teams entwickeln können, lernen Sie in unserem Lehrgang «Teamleiter-/in im Gesundheitswesen». Den sich selbst steuernden Teamgeist trainieren Sie am besten in einem unserer gruppendynamischen Trainings.
Lucia Zimmermann
Schulungszentrum Gesundheit SGZ
Programmleiterin Bildung
lucia.zimmermann@zuerich.ch
angebot.wissen-pflege-bildung.ch
Sehr geehrte Frau Zimmermann
Hier sprechen sie einen ganz wichtigen Aspekt, vor allem im Gesundheitswesen, an.
Wieviele Male habe ich schon gehört, dass Mitarbeitende schwierige Situationen am Arbeitsplatz beklagten, aber mit einem Nachsatz bemerkten, dass dies einfacher auszuhalten war, weil man Teil eines “guten Teams” war. In einer Zeit in welcher der Fachkräftemangel je länger je mehr spürbar ist, lohnt es sich doppelt Fürsorge und eine gute Basis für die Mitarbeitenden zu schaffen – Personalfluktuation kostet Geld, Zeit und absorbiert viele Ressourcen.
Aus der Sicht der Arbeitnehmenden ist es manchmal auch so, dass ein gutes, stabiles Team über manche Schwierigkeiten hinweghilft. Wenn dies nicht so ist und ein Stellenwechsel ins Auge gefasst wird, kann man “vom Regen in die Traufe kommen”.
Deswegen lohnt es sich Energie und Zeit in teambildende Massnahmen zu investieren – dies müssen keine exotischen Massnahmen sein! Empathie, Gelassenheit und grunsätzliches Interesse an menschlicher Zusammenarbeit können schon sehr hilfreich sein!
Mit herzlichem Dank für ihren inspirierenden Blog!
Guten Tag Frau Berni
Danke für Ihren Kommentar. Sie sprechen da mit der zum Teil grossen Fluktuation etwas wichtiges an. Es sind nämlich oft genug diese zwischenmenschlichen Sorgen, die zum Wechsel führen.
Und es braucht Leitungspersonen im Management, die nicht einfach Teamgeist fordern, sondern bereit sind, auch in die Pflege des Teamgeistes zu investieren. Auch wenn die Mittel knapp sind.
Da scheinen Sie ein Beispiel zu sein. Weiterhin viel Erfolg und Befriedigung bei Ihrer Arbeit.