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Ohne Widerstand keine Entwicklung der Organisation

Gastbeitrag von Prof. Dr. Erik Nagel, Institut für Betriebs- und Regionalökonomie IBR, Hochschule Luzern

Max Küng [1], Filialleiter einer Regionalbank, ist entrüstet. Das Management hat ohne Einbezug der Filialleiter neue Kriterien für die Beurteilung der Niederlassungen verabschiedet. Zwei Filialen geraten auf eine schwarze Liste. Nach der Auffassung von Küng, der seine Filiale erfolgreich führt, dürfen nicht alle Einheiten mit demselben Mass gemessen werden: Zudem entspricht das Vorgehen nicht der kooperativen Kultur der Bank. Küng schreibt zusammen mit anderen Filialleitern einen differenzierten Bericht und schickt ihn direkt an den CEO. Dieser fühlt sich berührt und sucht nach Auswegen. Er informiert Geschäftsleitung und Verwaltungsrat, führt mit Küng ein Gespräch und initiiert eine Arbeitsgruppe. Sie entwickelt neue, ausgewogenere Kriterien.

Dieser Fall räumt mit zwei Vorstellungen von Widerstand auf: Erstens leistet das mittlere Kader Widerstand und nicht, wie sonst üblich angenommen wird, die Mitarbeitenden. Zweitens blockiert der Widerstand nicht Veränderungen, sondern ermöglicht erst eine zweckmässige Entwicklung. Der CEO macht in diesem Fall vieles richtig: Es gelingt ihm, konstruktiv mit dem Widerstand umzugehen. Leider passiert dies viel zu selten. Es ist ausgesprochen anspruchsvoll, mit Widerstand konstruktiv umzugehen. Häufig taucht er unerwartet auf, stellt die Legitimität von Entscheidungen in Frage – es droht ein Gesichtsverlust. Die Reaktion des Managements: Der Widerstand wird totgeschwiegen, Entscheidungen werden gerechtfertigt oder die Gegner an den Pranger gestellt.

 

Die Anderen sind schuld

Widerstand durchkreuzt die Pläne des Managements und wird dann als zerstörerische Kraft gesehen. Im Widerstand scheint sich zu bestätigen, dass es richtig war, Kader und Mitarbeitende nicht einzubeziehen. „Ein Drittel ist ja sowieso immer dagegen“, heisst es dann. Dabei ist weder genauer untersucht worden, ob es wirklich ein Drittel ist, ob es nicht sogar mehr als ein Drittel ist oder ob dieses Drittel wirklich vollumfänglich gegen ein Vorhaben ist. Mit dieser Faustformel wird die Gegnerschaft kleingeredet. Oder es wird unterstellt, dass der Mensch an sich keine Veränderung wolle oder sich mal wieder die üblichen Neinsager gemeldet hätten. All diesen Mutmassungen gemein ist, dass das Problem bei den anderen verortet wird: Vorgeschoben wird deren angebliche fehlende Fähigkeit, etwas zu akzeptieren, sich auf Neues einzustellen, rationale Gründe nachzuvollziehen.

Wesentlich im Umgang mit Widerstand ist, eben nicht solche vorschnellen Schlussfolgerungen vorzuschützen, sondern sich mit jenen auseinanderzusetzen, die andere Standpunkte einnehmen, und zwar ohne diesen mangelnde Loyalität zu unterstellen. Widerstand ist ein Ausdruck dafür, dass einem die Organisation nicht egal ist. Die Widerständler wollen einfach nur etwas anderes. Die Führung sollte auf eine Widerstandskultur hinarbeiten. Mitarbeitenden sollte explizit das Recht auf Widerspruch zugestanden werden. Und die Mitarbeitenden sollen dieses Recht auf Widerspruch auch wahrnehmen und in angemessener Form widersprechen, wenn es der Anlass gebietet. Sie sollen nicht (mehr nur) die Faust im Sack machen.

 

Unnötigen Widerstand vermeiden

Widerstand wird häufig erst durch das Verhalten der Führung hervorgerufen und insbesondere dann, wenn über die Köpfe der Leute hinweg entschieden und ihnen nichts zugemutet wird. Auf Widerstand stösst weiter, wer die Autonomie in der Alltagsarbeit übermässig und nicht nachvollziehbar einschränkt. Mitarbeitende resignieren, leisten leise Sabotage oder widersprechen lauthals. Verwunderlich ist dann nur, wenn sich das Management über diese Reaktion wundert. Durch eine umsichtige Führung lässt sich solch unnötigerweise ausgelöster Widerstand vermeiden.

 

Widerstandskultur erlernen

Die Kunst liegt darin, die Mitglieder der Organisation auf intelligente Weise mitgestalten zu lassen. Natürlich können nicht „immer alle mitreden“; das erwartet aber auch keiner. Erwartet wird aber zu Recht, dass Anliegen gehört und ernst genommen werden. Führungskräfte sollten Opposition nicht in übliche Denkschablonen pressen. So wird Widerstand nur zu einem Phänomen, gegen das man sich wehren muss. Das Gegenteil muss passieren. Führungskräfte müssen achtsam sein und sich auf die Sichtweise, Argumente und Perspektiven der anderen einlassen. Natürlich muss man das erst einmal aushalten. Gerade dann, wenn Kritik in geballter Ladung kommt oder ein zynischer Witz die Absicht unterläuft, sind Führungskräfte gefordert, sich nicht beleidigt, erbost oder beschämt abzuwenden, sondern daraus etwas Produktives entstehen zu lassen. Wenn sich heute Organisationen rasch bewegen müssen, braucht es interne Auseinandersetzungen und ein fortwährendes Ringen um richtige Lösungen. Lernorientierte Organisationen pflegen eine konstruktive Widerstandskultur. Sie verstehen Widerstand nicht als Gegnerschaft.

[1] Name geändert

 

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Kommentare: 0 | Autor: SGZ | Kategorien: Kategorie Führung & Management

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