Fr. 01.04.22Wishionär – (gut) Leben mit Demenz
Text: Beatrice Widmer
Nach der Diagnosestellung gerät das Leben von Personen mit Demenz und ihren Angehörigen völlig aus den Fugen. Die alltäglichen Schwierigkeiten haben zwar endlich einen Namen, dies ist jedoch nur ein Stück weit entlastend.
Kräfteraubende Stolpersteine
Denn gleichzeitig muss das Ausmass des Krankheitsbefunds Schritt für Schritt erfasst werden. Im Hier und Jetzt und für die Zukunft gilt es, sollen elementare Entscheidungen zu treffen. Dazu gehören komplexe Herausforderungen wie Vorsorgeplanungen. Ist die betroffene Person beispielsweise noch im erwerbsfähigen Alter, so weiss sie, dass sie in absehbarer Zeit ihre Arbeit aufgeben muss. Was unter anderem bedeutet, dass Massnahmen zur finanziellen Absicherung getroffen werden müssen. Dies für sich selber, allenfalls aber auch für weitere Familienmitglieder wie Kinder, die noch in der Ausbildung sind. Der Informations- und Bürokratiedschungel beginnt: Wer ist für welche Belange zuständig? Was gilt es wann, durch wen zu tun? Fristen müssen eingehalten werden, ansonsten verwirken Ansprüche etc. Kaum vorstellbar, doch dies alles und noch viel mehr, muss bei einer äusserst fragilen Lebenssituation geregelt werden. Wer dabei völlig auf sich selber gestellt ist, hat enorme und für uns kaum vorstellbare Hürden zu meistern.
Demenz ist eine soziale Herausforderung
Jeder Mensch hat das Bedürfnis dazuzugehören. Bei Personen mit Demenz ist das ein besonderes zentrales Bedürfnis. Trotzdem sind sie und ihre Anliegen in der Öffentlichkeit wenig sichtbar. Es ist leider davon auszugehen, dass die gesellschaftliche Stigmatisierung immer noch ihren Beitrag dazu leistet. Neurokognitive Beeinträchtigungen werden nach wie vor mit einem pathologischen Blick betrachtet. Die Vorstellung, dass Persönlichkeitsmerkmale sich verabschieden, ein Autonomieverlust eintritt und vollständige Betreuungs- und Pflegeabhängigkeit eintritt, verursacht allgemeine Betroffenheit und Angst, was verständlich ist. Nur wenn das Thema Demenz explizit mit dieser Brille betrachtet wird, so steht lediglich die Krankheit mit all ihren herausfordernden Facetten im Zentrum. Wünsche, Bedürfnisse und Ressourcen von betroffenen Personen und deren Umfeld können unter diesen Umständen nicht erkannt und aufgenommen sowie ins gesellschaftliche Zusammenleben eingebunden werden.
Aktive Teilhabe statt Ausgrenzung
Eine grosse Stütze zur Bewältigung ihres anspruchsvollen Alltags sind für Betroffene und Angehörige sicherlich Selbsthilfegruppen. Denn spezifische Herausforderungen und Anliegen sind auf gleicher Augenhöhe einfacher zu bewältigen. Das gibt Kraft und Zuversicht.
Aber es braucht noch mehr für ein gutes Leben mit Demenz! Herzensangelegenheiten von Personen mit Demenz müssen die Gesellschaft erreichen. Daher ist es wichtig, dass Direktbetroffene und ihr Umfeld selber über ihre Situation sprechen und somit die Gesamtgesellschaft erreichen können. Erfreulicherweise melden sich immer mehr Personen mit Demenz zu Wort, insbesondere jüngere Betroffene. Sie fordern, dass die Tabuisierung von Demenz weiter aufgebrochen wird. Auch erwarten sie kein Mitleid, sondern viel eher Empathie und Inklusion. Dazu braucht es gemeinsame Begegnungsräume und Projekte, wo beidseitige Ängste abgebaut werden können.
Das 3. Zürcher Demenzsymposium mit dem Titel «Wishionär-(gut) Leben mit Demenz» stellt die Wünsche, Wahrnehmungen und Bedürfnisse von Personen mit Demenz und ihren Angehörigen ins Zentrum. Am Dienstag, 14. Juni 2022 geht es darum, welche Schritte unternommen werden müssen, um eine gesellschaftlichen Teilhabe von Personen mit Demenz und ihren Angehörigen voranzubringen. Auch wie ein gutes Leben mit Demenz erreicht werden könnte. Egal ob Wunsch oder Vision – beides erfordert ein aktives Handeln. Denn ein Wunsch bleibt ein Wunsch, solange wir ihm nicht aktiv entgegengehen. Wir freuen uns auf diesen besonderen Anlass mit hochkarätigen Gästen und auf Ihre Teilnahme.
Mehr zur Veranstaltung erfahren Sie hier:
Beatrice Widmer
Schulungszentrum Gesundheit
Programmleiterin Bildung
beatrice.widmer@zuerich.ch
www.stadt-zuerich.ch/sgz
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