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Humor in der Sozialen Arbeit

Humor in der Sozialen Arbeit

«Wann haben Sie das letzte Mal herzhaft gelacht?»

Interventionsstrategien im Arbeitsbündnis – Humor in der Beratung als Haltung und Methode

Text: Charlotte Friedli und Cornelia Schinzilarz

Ausgangspunkt des Humors in der Sozialen Arbeit ist die Reflexion der eigenen Humorhaltung, die sich spielerisch mit Gefühlen des Glücks, der Begeisterung und der Heiterkeit verbindet. Humor wird mit Lachen und Lächeln denkend im Alltag vertieft. Der Blick auf sich selbst, auf die andern und auf die Situation orientiert sich am Gelungenen, an der Schönheit, an den Möglichkeiten und Fähigkeiten. Diese Ausrichtung auf Ressourcen und Potenziale bildet die Grundlage dafür, dass die Integrität aller Beteiligten gewahrt und die verschiedenen Persönlichkeiten geachtet werden. Vor diesem Hintergrund können professionelle Gespräche auch in schwierigen Zusammenhängen humorvoll und heiter sein und dramatische Situationen an Leichtigkeit gewinnen.

«Wann haben Sie das letzte Mal herzhaft gelacht?» Die Klientin schaut verblüfft hoch. Sie richtet sich auf, die Gesichtszüge glätten sich, und sie beginnt zu strahlen, während sie erzählt. Was die Forschung zum Thema Humor und Lachen in vielen kleineren und grösseren Experimenten in den letzten Jahren nachgewiesen hat, können wir täglich in unserer Arbeit beobachten. Humor und Lachen haben eine direkte positive Wirkung auf das physische und psychische Wohlbefinden der Menschen. Humorvolle Interventionen ermöglichen einen veränderten Umgang mit schwierigen Situationen. Selbst wenn eine humorvolle Begebenheit, egal ob real erlebt oder fantasiert, nur in Gedanken imaginiert wird, wie im obigen Beispiel gezeigt, verändern Menschen augenblicklich die eigene Befindlichkeit und damit die Perspektive auf die Welt.
In der Praxis der Sozialen Arbeit können unterschiedliche Humorhandlungen auf verschiedenen Ebenen eingesetzt werden. Handlungen sind immer verbunden mit der Person, welche diese vollbringt. Wenn wir den Humor als Handlungsinstrument einsetzen wollen, gilt es, sich vertieft damit auseinanderzusetzen. Erst das aktive Gestalten der eigenen Humorhaltung ermöglicht eine professionelle Anwendung von humorvollen Methoden und Interventionstechniken im Kontext der Sozialen Arbeit.

Humor beginnt im Kopf

Humor und Lachen gehören zum Menschen wie die Luft um Atmen. Was jedoch unter Humor verstanden und wie er gelebt wird, ist sehr unterschiedlich und abhängig von Sozialisation und kulturellem Hintergrund. Auf dem Weg zum Erwachsenwerden verändert sich das Humorverhalten sehr stark. Die ernste Miene wird im öffentlichen Leben zum Synonym von Seriosität, Kompetenz und Verantwortungsbewusstsein. Gerade auch im Beratungskontext ist es weit verbreitet, mit ernstem Gesicht, nickendem Kopf und verhaltener Stimme Verständnis, Tiefgang und Professionalität zu signalisieren. Durch diese Mimik und Körperhaltung werden sowohl die Gefühle des Gegenübers verstärkt als auch die eigene emotionale Befindlichkeit entsprechend beeinflusst. Ein wichtiger erster Schritt in der Arbeit mit humorvollen Methoden ist es deshalb, diese vermeintlich empathische Haltung radikal zu verändern. Die körperlichen Ausdrucksmöglichkeiten wie Mimik, Haltung und Stimme werden bewusst gestaltet, um Freundlichkeit, Offenheit und Frohmut zu signalisieren. Rund 30 Sekunden in aufrechter Haltung und mit freundlichem Gesichtsausdruck zuhören reichen in der Regel, um beim Gegenüber (und bei sich selbst) eine neuronale Resonanz zu erzeugen. In der Folge verändert sich die Gesprächsatmosphäre. Die Sinne öffnen sich, sodass aus dem Drama eine gestaltbare Situation wird.
Professioneller Einsatz von Humor und Humorhandlungen heisst demnach zunächst, die eigene Humorkompetenz zu reflektieren und daraus eine Haltung zu entwickeln, die eine freundliche, heitere und lebensfrohe Grundstimmung verkörpert. Die eigene Humorhaltung kann individuell und im Team durch konsequentes Üben entwickelt und kultiviert werden. Bei allen Übungen und Ritualen zum Einrichten der Humorhaltung sind folgende drei Ebenen zu beachten:
•Körperhaltung und Mimik: Dazu gehört das sensorische Gewahrsein des eigenen Lach- und Lächelrepertoires
•gezieltes Einrichten und Zusammensetzen der passenden Gefühle
•vertieftes Nachdenken und Reflektieren.

Das Zusammenspiel und die Wechselwirkung zwischen Körper, Gefühl und Denken fördern die Veränderung automatisierter Denkmuster und Bewertungsgewohnheiten. Hier ein Beispiel aus dem Humortraining für Teams zum Thema Pausenraum, der oft als Bühne zur Verstärkung der Problematisierung von Situationen und KlientInnen genutzt wird. Dampf ablassen wird das dann genannt. Um diese destruktive Gewohnheit zu verändern, wird folgende Abmachung getroffen:
Jedes Mal, wenn sich Mitarbeitende in der Pause treffen, wird miteinander gelacht und gelächelt. Es werden Erfolgsgeschichten und schöne Geschichten erzählt. Die Mitarbeitenden sprechen über gute Gefühle und ihre Potenziale. Zudem machen sie sich gegenseitig Komplimente. Zur Unterstützung können die Pausenräume unter dem Aspekt Humor gestaltet werden.
Wenn dieses neue Ritual konsequent durchgeführt wird, verändern sich innert kürzester Zeit die Stimmung im Pausenraum, die Atmosphäre im Team und schliesslich auch die Bewertung der als schwierig erlebten Situationen oder KlientInnen.

Interventionsstrategien – ein kleiner Einblick

Auf dem Boden des Humors wird ein unterstützender Umgang mit sich selbst, den anderen und der Situation gestaltet. Humor wird in der zwischenmenschlichen Begegnung bewusst und sichtbar durch sprachliche und nichtsprachliche Gestaltungsformen ausgedrückt. Diese orientieren sich grundsätzlich an Heiterkeit, Zuversicht, Ressourcen und Potenzialen. Auf jede Form von Ironie, Zynismus und Sarkasmus gegenüber sich selbst und anderen Personen wird verzichtet, denn dies sind Instrumente, mit denen Menschen verunsichert, heruntergemacht, verhöhnt oder blossgestellt werden.
Grundsätzlich ist die Mimik offen, die Stimme freundlich, die Körperhaltung aufrecht und zugewandt, die Augen werden zum Strahlen gebracht, sodass die Mundwinkel leicht angehoben werden. Dies ist sozusagen die Humorgrundhaltung im Stand-by-Modus. Davon ausgehend können vielfältige Humorinterventionen situationsadäquat eingesetzt werden. Wir unterscheiden zwischen körperstrategischen, gefühlsstrategischen und denkstrategischen Interventionen.
Bei den körperstrategischen Interventionen liegt der Schwerpunkt auf der körperlichen Präsenz und dem mimischen Ausdruck. Dazu gehören natürlich die verschiedenen Lach- und Lächelvariationen als wichtiges Instrument, um mit dem Gegenüber in Kontakt zu treten und positive Resonanz zu erzeugen. Wir setzen also Lachen und Lächeln in der zwischenmenschlichen Kommunikation bewusst ein, um das Phänomen der Rückkopplung und die Funktion der Spiegelneuronen zu nutzen.
Im Hinblick auf zu bewältigende Situationen, kann Lachen und Lächeln mit den KlientInnen spielerisch geübt werden. Wie sieht beispielsweise ein ernsthaftes Lächeln aus? Welches Lachen vermittelt Kompetenz?
Auch pantomimische Darstellungen wie Bodytalk und das Spiel mit Gesichtsausdrücken gehören in die Kategorie der körperstrategischen Interventionen.
Bei den gefühlsstrategischen Interventionen steht die clowneske Qualität im Mittelpunkt. Es sind eher schnelle, überraschende Interventionen, die auf der Gefühlsebene irritieren und verhärtete Situationen oder festgefahrene Denk- und Verhaltensmuster stören. Kauderwelsch, Triggersätze, Nonsensreime, plötzliche Arm oder Beinbewegungen, Wort- und Satzverdrehungen, jäher Wechsel der Sprachmelodie usw. können hier Wunder wirken. Auch das Spiel mit Humor symbolisierenden Gegenständen gehört in die Kategorie der gefühlsstrategischen Interventionen: z. B. rote Nase, springendes Smiley, Klappergebiss. 1
Die denkstrategischen Interventionen repräsentieren die närrische Qualität. Ziel ist es, die systemeigenen Denkprozesse anzuregen und multiperspektivische Denkräume zu eröffnen, in denen Raum und Zeit überwunden werden, sodass die Grenzen des bisher Denkbaren gesprengt werden. Wichtigstes Instrument der Närrinnen und Narren sind die heiteren, humorvollen, provokativen, schrägen und bisweilen auch durchgeknallten Fragen.
Auch Träumen, Simulieren und Imaginieren gehören in die Kategorie der denkstrategischen Interventionen. In der Vorstellungswelt können sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft begegnen und neu entworfen werden. Geschichten werden neu geschrieben. So kann beispielsweise eine als Tragödie beschriebene Situation mental in eine Komödie verwandelt werden.

Humorkompetenz in der Ausbildung und in der Praxis fördern

Es gibt viele Gründe, weshalb Humor und Lachen in der Sozialen Arbeit wichtige Arbeitsinstrumente sind. Einer davon liegt in der grundsätzlichen Kernaufgabe, wie sie die Internationale Föderation der Sozialen Arbeit im Jahr 2000 formuliert hat:2 Menschen im Streben nach mehr Wohlbefinden zu unterstützen.
Um Humor, Lachen und Heiterkeit für die Soziale Arbeit nutzbar zu machen, sodass das Wohlbefinden aller grösser wird, gilt es, die Humorkompetenz gezielt und systematisch zu fördern. Konsequenterweise gehört der Humor als Haltung und als Handlungsinstrument in die Grundausbildung der Sozialen Arbeit – als Querschnittthema. In der Praxis wird die Humorhaltung durch entsprechende Massnahmen gefördert. Die Umsetzung wird in den Mitarbeitendengesprächen regelmässig überprüft. Und bitte daran denken: Das Thema ist ernst, darum bleiben wir heiter.

Charlotte Friedli
Professorin an der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW mit Schwerpunkt Kommunikation, Beratung und Coaching. Leiterin MAS Psychosoziales Management. Co-Leitung der Weiterbildung in Humorcoaching. Als Trainerin und Coach in der Praxis tätig.
Frau Prof. Friedli sorgte als Referentin am SGZ-Bildungsapéro vom September 2012 mit dem Thema «Humor im Arbeitsalltag» für ein lachendes und begeistertes Publikum.

Cornelia Schinzilarz
Humorexpertin, Supervisorin, Theologin. In Deutschland und der Schweiz als Coach, Trainerin und Dozentin tätig. Co-Leitung der Weiterbildung in Humorcoaching. Eigenes Institut: KICK Institut für Coaching und Kommunikation.

Link: www.humorvoll.ch

Kommentare: 0 | Autor: SGZ | Kategorien: Kategorie Pflege & Betreuung

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