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Qualität in der Pflege: Vielschichtig und deshalb heiss diskutiert

Text: Dr. phil. Marcel Maier

«Lasst uns doch mal einen Blogbeitrag zum Thema Qualität in der Pflege veröffentlichen» – so die Idee in der letzten Teamsitzung. Klar, es liegt ja auf der Hand, sich auch einmal diesem Thema zu widmen. Schliesslich wird derzeit vielfach in den Medien über die Qualität in der Pflege berichtet. Und dies nicht immer im positivsten Sinne.

Grund genug also, sich als altgedienter Qualitätsbeauftragter diesen Vorschlag anzunehmen, um das Thema umfassend abzuwickeln (*Ironie off *). Aber das mit der Qualität ist so eine Sache …

 

Von was reden wir überhaupt?

Fangen wir aber mit etwas vermeintlich Banalem an: Was bedeutet das Q-Wort überhaupt? Qualität beschreibt nämlich zwei verschiedene Dinge! Zum einen definiert sie die Summe aller Eigenschaften eines Objektes. Beispielsweise die Eigenschaften eines Produkts, einer Leistung, eines Systems oder eines Prozesses. Also eine reine Beschreibung des Lieferumfangs des Objekts. Dies allein vermittelt jedoch noch keine Wertung über die tatsächliche Beschaffenheit.

Hierzu gibt es eine zweite, wesentlich interessantere Auslegemöglichkeit. Nämlich die Feststellung und kritische Bewertung der Güte: Funktionieren die Schnittstellen innerhalb des (Pflege-)Prozesses? Schmeckt den Bewohnenden das Mittagessen? Fühlen sich die Bewohner/-innen im Pflegeheim wohl und geborgen? Werden auftretende Symptome adäquat behandelt? Ist ausreichend qualifiziertes und fundiert ausgebildetes Personal verfügbar? Und so weiter und so fort.

 

Managen, was zu managen ist

Häufig wird Qualität in der Pflege durch ein erworbenes Zertifikat zum Ausdruck gebracht. Kann aber die Qualität durch Managementsysteme wie beispielsweise eines ISO oder EFQM hinreichend abgedeckt werden? Sicher haben Qualitätsmanagement-Systeme viele Vorteile. Vor allem im Sinne der Prozesssteuerung, der Transparenz, des Risikomanagements und Verbesserungskreislaufs.

Aber sie sind nicht mehr gänzlich unumstritten. Ist doch der initiale und vor allem der laufende Aufwand zur Aufrechterhaltung eines solchen Systems sehr aufwendig. Nicht zuletzt besteht die Gefahr, sich in bürokratischen Fallstricken zu verirren. Aber auch, weil damit nicht immer valide Aussagen über inhaltliche Güte der erbrachten Leistungen gemacht werden können.

 

Wer hat welche Qualitätsansprüche?

Der arg strapazierte Qualitätsbegriff in der Pflege unterliegt einer grossen Komplexität mit verschiedenen Playern und Anspruchsgruppen. Bewohner/-innen und Angehörige haben selbstverständlich Qualitätsansprüche an den Aufenthalt im Pflegeheim und/oder an die Pflege und Betreuung. Hier sind Faktoren relevant, die zu einer positiven Bewertung der Leistungserbringung beitragen. Beispielsweise der Fokus auf einer grösstmöglichen, individuellen Lebensqualität (Anm. des Autors: ebenfalls sehr strapazierter Begriff) und Erfüllung der Bedürfnisse.

Leistungserbringer ist hierbei meist das Pflegepersonal. Pflegende haben den Anspruch, ihre Bewohner/-innen nach der gebotenen Fachlichkeit und ihrem Berufsethos entsprechend zu versorgen. Das allein gebietet bereits die Ethik und der Berufsstolz. Und genau hier erleben wir zahlreiche Einflussfaktoren, die sich auf die Arbeitsqualität auswirken. Faktoren wie Stellenplanung, Infrastruktur, Ausbildungsstand, Arbeitsbedingungen und -belastungen, die dann wieder (mehr oder weniger direkt) Einfluss auf das Qualitätserleben von Bewohner/-innen und Angehörige nehmen.

Zudem spielt das Setting eine grosse Rolle:

Finden Pflege und Betreuung in einem Pflegeheim statt? Dort, wo Prozesse meist straff organisiert sind, aber auch die Möglichkeit besteht, sich im Bedarfsfall kurzfristig Unterstützung zu holen. Findet sie in einer Pflegewohngruppe statt? An einem Ort, an dem ein enger Beziehungsaufbau und eine sehr flexible und individuelle Betreuung notwendig ist. Oder findet sie in Form von Spitexleistungen statt? Dort, wo die Pflege und Betreuung punktuell, aber dafür im heimischen Umfeld des zu Betreuenden erfolgt.

An jedes Setting können verschiedentliche Ansprüche gestellt werden.

 

Welche Erkenntnisse gewinnen wir nun daraus?

Die wichtigste Erkenntnis liegt wohl darin, dass es eine Illusion ist, dieses komplexe Thema in einem Blogartikel umfassend abhandeln zu können. Genauer gesagt: Qualität ist wesentlich mehr als das, was man ausschliesslich mit einem Management-System regulieren könnte und geht in der Praxis also über den reinen «Deming-Kreislauf» hinaus. Sie hat verschiedene Anspruchsgruppen und Einflussfaktoren, deren man sich bewusst sein muss – und die jeweils einzeln bewertet werden müssen.

Dies wäre dann auch ein Plädoyer dafür, weniger inflationär mit dem Qualitätsbegriff (in den Medien oder wo auch sonst immer zu beobachten) umzugehen. Es ist ein Plädoyer für eine differenzierte, inhaltlich fundierte Auseinandersetzung mit der Qualität und deren Bedeutung für alle Beteiligten.

Sie wollen mehr über das Thema erfahren? Dann besuchen Sie unser Fachsymposium am 25. Juni 2018 im Pflegezentrum Mattenhof, Zürich. Ich freue mich auf einen Austausch mit Ihnen.

Programm: Zürcher Trendthemen Langzeitpflege: Qualität in der Pflege

 

Dr. phil. Marcel Maier
Leiter Schulungszentrum Gesundheit SGZ
marcel.maier@zuerich.ch
angebot.wissen-pflege-bildung.ch

 

 

Kommentare: 0 | Autor: SGZ | Kategorien: Kategorie Pflege & Betreuung

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