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Reden ist immerhin Silber

Text: Almut Aeppli

Ist Schweigen Gold und Reden wirklich nur Silber? Oder sollte es für eine gute Zusammenarbeit nicht eher umgekehrt lauten?

Als Beraterin weiss ich, dass es für eine gute Zusammenarbeit unerlässlich ist, miteinander zu reden. Unter «miteinander reden» meine ich in diesem Kontext, über das Arbeitsanliegen und über die dazu gehörigen Gefühle ins Gespräch zu kommen. Das Ziel soll sein, ein zufriedenstellendes Arbeitsergebnis zu erreichen und eine gute Arbeitsatmosphäre herzustellen. Die Angst etwas Falsches zu sagen, den anderen zu verletzen oder gar ausgeschlossen zu werden, sind die häufigsten Antworten, die ich von Teammitgliedern am Anfang einer Teamsupervision erhalte, wenn es darum geht Meinungsverschiedenheiten oder Konflikte im Team anzusprechen. Es ist eine Gratwanderung, und ich kann Ihnen versichern, dass nicht nur Teams und deren Leitung, sondern auch Berater/-innen zögern, Teamprobleme, die sie deutlich sehen, auch genauso deutlich anzusprechen.

 

Das Konzept der Gruppendynamik

Der Arbeitsauftrag eines Teams steht in der Zusammenarbeit im Vordergrund. Das Verhalten eines Teams ist deshalb in diesem Kontext zu betrachten und keine private Angelegenheit. Schwierigkeiten, Probleme und die dazu gehörigen Gefühle, die in der Zusammenarbeit mit den Klienten/-innen, Kollegen/-innen oder Vorgesetzten auftauchen, spiegeln sich häufig im Verhalten eines Teams wieder. Man geht sich aus dem Weg, spricht nicht mehr miteinander, Absprachen werden nicht eingehalten. Die Arbeitsfähigkeit sinkt.

Die Gruppendynamik als Wissenschaft und Form des sozialen Lernens geht davon aus, dass es nur im gemeinsamen Gespräch gelingen kann, sich über Zusammenhänge und Dynamiken der zu bearbeitenden Themen bewusst zu werden. Es geht darum, neben der Sachebene die Beziehungsebene in die Selbst- und Gruppenreflektion mit einzubeziehen, um Lösungen für anstehende Problem zu finden und handlungsfähig im Sinne der Selbstorganisation zu werden. Doch was bewegt denn Gruppen über die Sache hinaus?

 

Das Eisbergmodell

Das Eisbergmodell dient dazu als schöne Metapher. Die Spitze eines Eisberges ragt mit 1/7 aus dem Wasser. Die grosse Masse des Eisberges die unter dem Wasserspiegel liegt und nicht sichtbar ist, bestimmt dessen Spitze. Überträgt man den Eisberg auf eine Gruppe, so wird ein Modell mit verschiedenen Schichten sichtbar. Auf der ersten Ebene schaut die Sache, das Thema, das Arbeitsziel, die Logik der Aufgaben, aus dem Wasser. Diese Ebene nehmen wir bewusst wahr und können jeder Zeit darüber sprechen und in Kontakt treten.

Die zweite Ebene, die unter Wasser liegt, betrifft die Beziehungsebene einer Gruppe oder eines Teams. Mit Beziehungsebene ist gemeint, dass immer ein Beziehungsgeflecht entsteht, wenn Menschen über einen längeren Zeitraum miteinander kommunizieren oder zusammenarbeiten. Sichtbar wird diese zum Beispiel in der Kommunikation. Also, wer hört wem zu, wer hat etwas zu sagen, wer reagiert auf wen oder auch nicht etc. Beobachtet und wahrgenommen werden auf dieser Ebene die latenten Geschehnisse eines Teams, die im Vor- oder Unbewussten angesiedelt sind. Sie betreffen Gefühle, Stimmungen, Normen- und Wertevorstellungen und Tabus eines Teams. Diese zeigen sich durch Mimik, Gestik oder Tonfall. Alle nehmen dies wahr und denken sich ihren Teil dazu, aber in der Regel wird darüber nicht gesprochen im «normalen» Teamalltag.

 

Dicke Luft

Frau B. ist Teamleitung einer Pflegstation in einem Seniorenzentrum und beschreibt in einem Coaching diese Situation folgendermassen: «Ich komme dann am Morgen auf die Abteilung und merke schon an der Tür, dass irgendetwas nicht stimmt. Etwas liegt in der Luft, ich bemerke eine angespannte Situation, die ich nicht einordnen kann. Mich beschleicht ein lähmendes Gefühl, wenn ich an die anstehende Teamsitzung denke und ich frage mich, wie ich denn mit den Mitarbeitenden ins Gespräch kommen soll über diese dicke Luft.»

 

Darüber reden hilft

In der Erforschung der Gruppen und deren Dynamik hat man herausgefunden, dass die Arbeitsfähigkeit einer Gruppe zunimmt, wenn es ihr gelingt über unbesprochene Geschehnisse, Beobachtungen, Erwartungen und Befürchtungen ins Gespräch zu kommen und zu reflektieren. In dem Masse, wie Nicht-Kommuniziertes mit in den formellen Raum einbezogen wird und nicht im Zweiergespräch oder «Flurfunk», bleibt, desto grösser wird die Arbeitsfähigkeit der Gruppe. Das heisst, stimmt die Beziehung untereinander im Team nicht, hat die Spannung die daraus entsteht, einen negativen Einfluss auf die Arbeit.

 

Teams können das lernen

Es gehört zur Entwicklung und Reifung eines Teams zu lernen, nicht nur über die Sachebene zu sprechen, sondern auch die Beziehungsebene, die Gefühle in der Zusammenarbeit miteinander klären zu können. Was dabei helfen kann, ist eine mutige Leitung, mit einem gut «trainierten Sprechmuskel» oder auch eine externe Beratungsperson mit einem gruppendynamischen Ansatz. Für das Training der sozialen Fähigkeiten, die es für die Arbeit mit Teams und Gruppen braucht, bieten sich gruppendynamische Trainings an. Dort können Sie trainieren,

  • sich selbst und Andere wahrzunehmen (Selbst- und Fremdwahrnehmung)
  • sich zu trauen, auch Schwieriges anzusprechen und Worte zu finden, um auch das innere Erleben sichtbar zu machen (Spontaneität und Ausdruckfähigkeit)
  • in Konflikten in Beziehung zu bleiben (emotionale Stabilität und Belastbarkeit)
  • Ihre eigene Vielfalt zu entdecken und zu entwickeln (Rollenflexibiliät)

Kurz: Für einen «trainierten Sprechmuskel» erhalten Sie immerhin Silber.

 

Almut Aeppli
Supervisorin und Trainerin für Gruppendynamik
praxis-supervision.ch

Almut Aeppli ist am SGZ Supervisorin in der Fortbildung «Stärken Sie Ihre Resilienz als Führungsperson» und im Teamleiter/-in-Lehrgang.

Kommentare: 0 | Autor: SGZ | Kategorien: Kategorie Führung & Management

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