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Chefsache

Gastbeitrag von Eveline Kühni, Herausgeberin & Redakteurin NOVAcura

Über den Umgang mit Widerstand und die richtige Dosis von Nähe und Distanz

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe «Zürcher Trendthemen Langzeitpflege» sprachen am 27. November 2019 im SGZ Campus drei Fachpersonen über die Beziehung zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden. Wie viel Nähe ist notwendig, wie viel Distanz geboten? Wie können Vorgesetzte schwierige Situationen meistern und wie mit Widerstand umgehen?


Gute Führung brauche sowohl angemessene Nähe als auch nötige Distanz, und die Bereitschaft, sich Widerstand mutig zu stellen, nahmen Marcel Maier und Lucia Zimmermann, beide Schulungszentrum Gesundheit Zürich (SGZ), bei ihrer Begrüssung vornweg. Um den zahlreichen Besucherinnen und Besuchern Anregungen zu vermitteln, wieviel Nähe und Distanz Führungspersonen (im Bereich Langzeitpflege) zulassen bzw. wahren sollen und wie sie Widerstand begegnen können, luden sie drei Profis mit unterschiedlichem Hintergrund zu Vorträgen und zur Diskussion ein.

 

Nähe und Distanz in der Führung an ganz alltäglichen Beispielen

Lukas S. Furler, Präsident der OdA Gesundheit Zürich, veranschaulichte, dass eine nahe oder distanzierte Haltung einer Führungspersonen abhängig ist von gesellschaftlichen Normen, Gesetzen und Vorschriften, der individuellen Persönlichkeit und Situation. Der ursprüngliche Krankenpfleger und spätere Direktor des Zürcher Stadtspitals Waid sprach über Episoden aus seinem beruflichen Alltag, in denen das richtige Mass an Nähe und Distanz geholfen hat, eine schwierige Situation zu meistern, bzw. das falsche Mass die Situation massgeblich verschlechtert hat. Da war etwa die Stationsleiterin, deren Mitarbeitende es sehr schätzte, dass ihre Chefin sie in den Arm nahm, als ihr Freund schwer verunfallte, oder der Teamleiter, der sich in seine jüngere Mitarbeiterin verliebte und schliesslich mit dem Vorwurf der sexuellen Belästigung konfrontiert sah. Es gab die Vorgesetzten, die beim jährlichen Standortgespräch voll des Lobes waren, ohne ihre Mitarbeitenden wirklich zu kennen, oder das Stationsteam, in dem sich alle dem Suchtproblem eines Teammitglieds annahmen. Furler befragte die Zuhörenden, mehrheitlich Führungspersonen in der Langzeitpflege, nach ihren Einschätzungen zu den jeweiligen Episoden. Das daraus folgende Fazit: Manchmal kann etwas mehr Nähe bzw. Distanz als üblich helfen, eine schwierige Situation zu meistern. Das Mass an Nähe oder Distanz muss zur Persönlichkeit der Führungsperson passen – genauso wie zu den Gepflogenheiten einer Abteilung oder Berufsgattung. Eine distanzierte Führungshaltung kann in unangenehmen Situationen (z. B. Reorganisation, Konflikte) helfen, entbindet aber nicht von der Pflicht, empathisch zu handeln und ehrliches Interesse an Mitarbeitenden zu zeigen. Eine gewisse Nähe hilft, seine Mitarbeitende für ein gemeinsames Ziel zu gewinnen, Grenzüberschreitungen (jemandem zu nahe zu treten, zu Persönliches preiszugeben) sind jedoch nur sehr schwer zu korrigieren.

 

Allein die Dosis macht’s …

Nicole Zeiter, Kommunikationsberaterin und ehemalige Geschäftsleiterin für «Die Dargebotene Hand Ostschweiz», ist überzeugt: «Allein die Dosis (von Nähe und Distanz) macht’s». Weil es von beidem die richtige Menge braucht, steht sie dem Trend von mehr Nähe zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden skeptisch gegenüber. Sie fragte in ihrem Referat, wieviel Nähe denn gesund sei – für beide Seiten. In positiven Zeiten sei gegen ein (emotional und räumlich) nahes Verhältnis nichts einzuwenden. Man kann sich regelmässig austauschen, es stärkt das Gemeinschaftsgefühl und die Mitarbeitenden sind motiviert, sich zu engagieren. Es birgt aber auch Gefahren. Haben Vorgesetzte zu den einen Mitarbeitenden ein engeres Verhältnis als zu den anderen, wird Neid und Missgunst geweckt. Mitarbeitende, die sich ihren Vorgesetzten nahe fühlen, erwarten nicht selten eine bevorzugte Behandlung, etwa wenn es um Freitage oder Arbeitspläne geht. Etwas mehr Distanz hilft Chefs und Chefinnen sich durchzusetzen und steigert die Selbstverantwortung der Mitarbeitenden, ist Zeiter überzeugt. Vorgesetzte sollen sich aktiv mit ihrer Rolle befassen, und sich innerhalb eines entsprechenden Handlungsspielraums bewegen. In seiner Rolle bleiben bedeutet, sich ständig bewusst zu sein, dass man eine andere Rolle hat als die Mitarbeitenden, und es bedeutet auch, innerhalb einer Organisation ein bisschen einsam zu sein. Das gilt es auszuhalten. Zeiter plädiert dafür, dass man seine Rolle transparent macht, indem man darüber spricht. Der Satz «Ich würde dir sehr gerne diesen Wunsch erfüllen, aber als deine Chefin bin ich verpflichtet, im Interesse des ganzen Teams zu handeln», kann vielen Missverständnissen vorbeugen.

 

Glücksfall Widerstand

Nicht nur mit einer gewissen Einsamkeit müssen Führungskräfte umgehen können, sondern auch mit Widerstand, ist Erik Nagel, Vize-Direktor des Departements Wirtschaft der Hochschule Luzern, überzeugt. Zu oft würden Führungspersonen den Widerstand leugnen oder bagatellisieren, statt als Phänomen anzunehmen, mit dem man in seiner Rolle fast unweigerlich konfrontiert ist. Den Impuls, Widerstand nur negativ zu bewerten oder zu ignorieren, gelte es unbedingt zu unterdrücken. Dass das ein schwieriges Unterfangen ist, leugnete der Referent nicht: Mitarbeitende, die sich offensichtlich oder auch versteckt (Witze, Blödeleien, Gerüchte, Schweigen, Fernbleiben) widersetzen, können Führungspersonen ohnmächtig zurücklassen. Sie sind verunsichert, weil sie auf Widerstand nicht routiniert reagieren können. Zudem ist Widerstand emotional aufgeladen und produziert Verlierer. Nagel mahnte, den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die sich widersetzen, vorurteilsfrei zu begegnen, ihre Anliegen ernst zu nehmen und ihnen auf Augenhöhe zu begegnen. Oft würde sich herausstellen, dass der Widerstand aufgrund von falschen Annahmen entstanden ist. Sollte das nicht der Fall sein, rät er, seinen Standpunkt nicht leichtfertig aufzugeben, jedoch zwingend zu überdenken, inwiefern das eigene Verhalten zum Widerstand beigetragen hat. Nur wenn sich Vorgesetzte dem unangenehmen, energieraubenden Widerstand stellen, könne ein zugrunde liegender Konflikt nachhaltig gelöst werden.

 

Reservieren Sie sich jetzt schon das Datum für das nächste Symposium Zürcher Trendthemen Langzeitpflege im SGZ Campus:
Dienstag, 26. Mai 2020 zum Thema Ausbildungsverantwortung.

Kommentare: 0 | Autor: SGZ | Kategorien: Kategorie Führung & Management

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