Content

Im Jahr zwei der Ausbildungsverpflichtung

Text: Lucia Zimmermann

Mit diesem Blogbeitrag möchten wir Sie zum Austausch über das Trendthema Ausbildungsverpflichtung am 26. Mai 2020 einladen. Am SGZ-Campus werden wir anhand von Best-Practice-Beispielen und der Diskussion darüber herausfinden, wie aus einem Müssen ein Wollen und ein Können geworden ist oder noch werden kann.

Dazu erzählen wir Ihnen gerne folgende Geschichten:

 

Auf dem falschen Fuss erwischt?

Es war einmal eine Branche mit einem vielleicht etwas schlechtem kollektiven Selbstwertgefühl, die sich für unattraktiv hielt, über wachsenden Fachkräftemangel klagte und die vom Kanton in die Ausbildungspflicht genommen wurde. Langzeitpflege und Spitex sollten jetzt ausbilden müssen, und zwar auch auf Stufe HF oder FH. Die Zielvorgaben des Kantons waren, sagen wir mal sportlich. Der Trainingsstand der Betriebe sehr unterschiedlich. Die Differenz zwischen Formstand und Anforderungen nahmen einige Betriebe als so gross wahr, dass sie lieber gar nicht an den Start wollten und in einer Art Schockstarre verharrten. Auch unpassende oder fehlende Kategorien (Fachweiterbildung?) wurden beklagt.

Wie sollte das denn gehen? Woher sollten denn all die Interessentinnen/Interessenten kommen? Hilfreiche Trainingspläne waren auch nicht einfach zugänglich. Trotz allem Protest und aller Hilflosigkeit trat die Ausbildungsverpflichtung 2019 in Kraft. Das Rennen wurde also gestartet, ob die zum Start Verpflichteten bereit waren oder nicht. Und jetzt?

 

Edith will ausbilden

Und das ist die Geschichte einer Berufsbildnerin, nennen wir sie Edith. In einem kleinen, ländlichen Pflegeheim war Edith für die Ausbildung von FaGe’s zuständig. Nach der anfänglichen Freude über die neue Aufgabe kam die Überforderung, denn sie realisierte, dass es eigentlich eine reine Zusatzaufgabe war. Sie brauchte einige Zeit, um mit ihrer Doppelrolle als Pflegende und Ausbildende zurecht zu kommen. Es fehlten Strukturen im Betrieb, die personelle Situation war oft prekär.

Dann schrieb sie die Bildungsberichte etc. in der Freizeit. Sie lernte im Berufsbildnerkurs gesetzliche Anforderungen, Rahmenbedingungen und Handwerkszeug für ihre Tätigkeit kennen. Sie argumentierte immer klarer und stiess bei den Verantwortlichen auf zunehmend offene Ohren. Mit wachsender Erfahrung und immer klareren Strukturen wuchs ihre Freude am Ausbilden. Das kleine Heim wurde auch durch ihren Einsatz zu einem Ausbildungsbetrieb.

Nun möchte sie in ihrem Betrieb gerne auch Studierende der höheren Fachschulen begleiten. Dafür will sie sich weiterbilden. Sie könnte sich auch vorstellen, mehr Verantwortung zu übernehmen. Sie könnte so ihre Vorgesetzte entlasten, der Pflegedienst und die Ausbildungsverantwortung vereint und eigentlich für Ausbildung kaum Zeit hat. Ihre Kolleginnen sind skeptisch, sie haben wohl Angst, dass sie mit ihrem Wissen nicht genügend aktuell sind. Das kann sie sogar verstehen, denn sie sieht ja auch, dass nicht alles so läuft, wie es nach neuen Theorien und Konzepten in der Langzeitpflege laufen könnte. Das wäre doch eine Chance. Sich als Team und als Betrieb einen «Schupf» zu geben und sich neuen Herausforderungen zu stellen. Edith hätte Lust darauf, denn sie liebt ihre Berufe, den der Pflege und den der Ausbildnerin.

 

Ausbildungsbetriebe sind attraktiver

Da war noch die Pflegefachfrau, die sich vor vielen Jahren als frisch Diplomierte ihre erste Stelle suchte. Neben allgemeinen Bedingungen wie Fachgebiet, Lohn, Ferien und Arbeitszeiten war ihr vor allem wichtig, ob ihr zukünftiger Arbeitgeber auch ein Ausbildungsbetrieb war. Sie und ihre Kolleginnen waren damals überzeugt, dass nur in Betrieben, die ausbilden, die fachliche Qualität auf dem neuesten Stand war und in Zukunft blieb. Sie wollte sich nicht abhängen lassen vom aktuellen Wissen. Sie wollte in einem Betrieb arbeiten, wo sie mitdenken und sich auch entwickeln konnte. Damals waren das in ihren Augen nur Spitäler.

Mittlerweile hat sie die Langzeitpflege kennen gelernt und ist immer noch baff darüber, was sich hier alles entwickelt. Ja, Himmel noch mal, denkt sie manchmal, merken die denn nicht, dass genau in der Langzeitpflege das grosse, eigenständige Entwicklungspotential des Pflegeberufs liegt? Hier geht die Post ab, hier ist es spannend.

 

Fassen wir zusammen:

Ausbildungsbetriebe sind attraktiver als andere. Berufsleute wollen sich entwickeln und fachlich à jour bleiben. Ausbildner/-innen haben Lust auszubilden. Ausbildungstätigkeit trägt zur Entwicklung von Organisationen bei.

Es wird Zeit, dass wir uns damit befassen, wie aus der «leidigen» Ausbildungspflicht eine Erfolgsgeschichte werden kann.

Wir laden deshalb CEO, Betriebsleitende, Bildungsverantwortliche, Pflegedienstleitende und weitere Interessierte zum Austausch an der Frühjahrsausgabe unserer Veranstaltungsreihe Zürcher Trendthemen Langzeitpflege ein.

Kommentare: 6 | Autor: SGZ | Kategorien: Kategorie Ausbildner/-innen

Kommentare zum Artikel

  1. Michael Schmieder Kommentar vom 04.03.2020

    Na, das ist doch alles etwas schöngefärbt, was ich da lese: es geht um Vorgaben, die dazu führen, dass am Ende alle ein Diplom haben, aber vergessen geht, dass es noch im Alltag Menschen gibt, die dauernd Pflege brauchen. Warum hat man zugelassen, dass die Kompetenzen der FaGe FaBe so tief angesetzt sind, dass es zwingen einen hochprozentigen Anteil an FH und HF Stufe braucht. Ein Schelm ist, wer das Böses denkt. Einem Berufsverband geht es dann am Besten, wenn “sein” Beruf ein Mangelberuf ist, und vor allem ein Mangelberuf bleibt.

    • Lucia Zimmermann Kommentar vom 04.03.2020

      Danke für Ihren Kommentar, Herr Schmieder
      Darüber kann man diskutieren und ist natürlich auch schon ausgiebig diskutiert worden.
      Nun ist es aber so wie es ist und wir wollen an diesem Anlass über Lösungsmöglichkeiten unter gegebenen Bedingungen ins Gespräch kommen. Es gilt, sich als Organisation den veränderten Anforderungen anzupassen. Genausowenig wie Schönfärberei wollen wir Schwarzmalerei betreiben. Sondern mit einem realistischen Blick Wege entwerfen und aus schon erzielten Erfolgen lernen. Es wäre schön, wenn Sie mit dabei wären.

  2. Felice Störk Kommentar vom 05.03.2020

    Sie beziehen sich auf Lösungsmöglichkeiten unter gegebenen Bedingungen, Frau Zimmermann. Es wäre an der Zeit auch die sich verändernden Anforderungen in den Organisationen in gebührender Weise in die Ausbildungsverpflichtung einfliessen zu lassen. Dies ist unserer Meinung nach zu wenig geschehen. Wie und wozu muss, bzw. soll z.B. eine Spitex-Organisation Assistent/ -innen Gesundheit und Soziales ausbilden, wenn sie ihre Berufstätigkeit wegen fehlenden Kompetenzen später nicht in der Spitex ausüben können?

    • Lucia Zimmermann Kommentar vom 05.03.2020

      Danke auch Ihnen Herr Störk für diesen spannenden Aspekt zur Diskussion. Leider kann ich Ihre Frage nicht beantworten, da wir am SGZ weder die Vorgaben erlassen haben noch diese verändern können.
      Wir wollen am 26. Mai darauf schauen, wie Organisationen mit der Ausbildungsverpflichtung umgehen. Welche Wege werden schon beschritten und was können wir voneinanander lernen in der Umsetzung oder im Umgang mit (scheinbar) unmöglichen oder wenig sinnvollen Anforderungen?
      Es ist doch einfach so: Sobald wir unabänderliches akzeptieren können, vielleicht auch nur teilweise, können wir den Blick öffnen für Möglichkeiten, um erste, zweite oder dritte Schritte zu gehen. Ich würde mich freuen, wenn Sie dabei wären bei diesem Austausch.

  3. Markus Schüpbach Kommentar vom 12.03.2020

    Ich erhoffe mir von der Veranstaltung Informationen und Erfahrungen bezüglich Umsetzung, Quotenerfüllung, Abrechnungsmodalitäten, etc. und hoffe, dass die Referenten dazu Aussagen machen können, die die Unklarheiten, die diese (wie jede) Neuerung mit sich bringt, aufklären. Ich bin gespannt.

    • Lucia Zimmermann Kommentar vom 13.03.2020

      Lieber Markus
      Danke für den Kommentar, der die Anliegen gut auf den Punkt bringt.
      Jede noch dunkle Ecke wird nicht im Detail ausgeleuchtet werden können. Durch die Referate und den Austausch mit allen anwesenden Fachpersonen gehen hoffentlich Lichter auf, die die weiteren Wege beleuchten.

Kommentar schreiben