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Schlaflose Nächte

Text: Lucia Zimmermann

Nun hat es auch meine Schwester erwischt. Lange hoffte sie, dass auf der Demenzstation, die sie leitet, das böse Virus nicht Einzug hält. Nun, quasi auf den letzten Metern vor der Impfung, ist es doch noch passiert. Als Teamleiterin versucht sie einen kühlen Kopf zu bewahren, auch wenn um sie herum, bei Angehörigen und auch zum Teil beim Personal, Aufruhr herrscht. Bis jetzt sind alle Mitarbeitenden und auch sie gesund. Ich hoffe, das bleibt so.

Ich höre viele solche Geschichten in den letzten Wochen: Teams, die reihenweise Ausfälle zu kompensieren haben, die verkraften müssen, dass Bewohner und Bewohnerinnen krank werden und sterben. Mitarbeitende, die daheim in Quarantäne sind und mitbekommen, wie ihre Kolleginnen und Kollegen strampeln und sie ihnen nicht helfen können. Temporäre Mitarbeitende, die einerseits hochwillkommen sind, andererseits auch viel Unruhe ins System bringen.

Ich kann verstehen, dass viele Führungspersonen da schlaflose Nächte haben. Sie fühlen sich verantwortlich. Für die Bewohner, Bewohnerinnen und für ihre Mitarbeitenden. Sie versuchen für alle gute Lösungen zu finden. Lösungen für Mitarbeitende, die Angst haben, weil sie selber oder ihre Lebenspartner zur Risikogruppe gehören. Für diejenigen, die aus was auch immer für Gründen keine Schutzmaske tragen können oder wollen, für solche, die in Panik agieren und für andere wiederum, die sich sorglos oder unachtsam verhalten. Für Angehörige, die sich um ihre Mutter oder Grossmutter sorgen, die sie nicht besuchen dürfen und für Bewohner und Bewohnerinnen, die niemanden haben, der sich um sie sorgt.

Viele Teamleitende versuchen all das aus eigenen Kräften zu kompensieren. Sie springen selber ein, wenn Not an der Frau oder am Mann ist. Sie telefonieren rum, um Spätdienst, Nachtwache und Wochenenddienste abzudecken.

In der Krise gibt es Teams, die kurzfristig zu Höchstform auflaufen und sich gegenseitig unterstützen, wo es geht. Aber es gibt auch viele Geschichten von Gereiztheit im Umgang miteinander, von kleinen Gifteleien und gegenseitigen Vorwürfen. Irgendwo muss sich die Spannung ja entladen. Was tun?

  1. Bleiben Sie auch mal stehen in all dem Gerenne. Man hat nur so viel Zeit wie man sich nimmt.
  2. Schaffen Sie dem Team und sich selber Gelegenheiten, auch mal kurz innezuhalten und miteinander zu sprechen über das, was geschieht und was alle erleben.
  3. Teilen Sie Verantwortung. Entmündigen Sie Ihre Mitarbeitenden nicht ausgerechnet jetzt. Gemeinsam in und aus der Krise.
  4. Suchen Sie sich selber ein professionelles Gegenüber, um Ballast abzuwerfen und zu reflektieren. Supervisoren und Supervisorinnen, Coaches, Psychologinnen und Psychologen können Sie dabei unterstützen, sich nicht zu verlieren in der Krise.
  5. Schauen Sie, dass es Ihnen gut geht. Nur so können Sie auch Ihrem Umfeld weiterhin helfen.

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Lucia Zimmermann
Schulungszentrum Gesundheit
Programmleiterin Bildung
lucia.zimmermann@zuerich.ch
www.stadt-zuerich.ch/sgz

Kommentare: 2 | Autor: SGZ | Kategorien: Kategorie Führung & Management

Kommentare zum Artikel

  1. Barbara Berni Kommentar vom 21.01.2021

    Herzlichen Dank für ihren erfrischenden Blog!
    Sie sprechen mir, und ich denke auch vielen anderen Personen, aus dem Herzen. Diese herausfordernde Zeit, mit all ihren Schwierigkeiten, bringt ganz viele Menschen an den Rand der Belastungsgrenze. Um so wichtiger ist die konsequente Selbstsorge, damit man im Job wieder alles geben kann. Ich merke dies selbst sehr gut. Wieviele Fragen prasseln jeden Tag auf mich ein, zu Vorschriften, Verhaltensregeln und deren Konsequenzen. Mit einem einfachen: “und wie geht es dir damit?” kann man viel auffangen, Verstädnis zeigen und die Mitarbeiter in ihrem Handeln bestärken.
    Ich wünsche ihnen und uns allen viele Momente der Erholung und des gemeinsamen Teilens. Nur so können wir diesen Marathon erfolgreich schaffen

    • Lucia Zimmermann Kommentar vom 22.01.2021

      Danke für Ihren Kommentar. Genau so soll es sein.
      Und wir werden alle zusammen diesen Marathon schaffen.

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