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Bericht zum 6. Zürcher Fachsymposium Palliative Care

Text: Eveline Kühni, NOVAcura

Über das Glück und intensive Leben, die richtigen Worte und die Zuversicht

Wie können unheilbar Kranke und ihre Angehörigen mit ihrer Angst umgehen, Zuversicht oder vielleicht sogar Glück empfinden? Wie helfen ihnen die Fachpersonen dabei und wie redet man über Dinge, für die die richtigen Worte oft fehlen? Das «6. Zürcher Fachsymposium Palliative Care» gab am 7. Oktober 2021 mögliche Antworten darauf.

Gina Schöler eröffnet die Vortragsreihe der Veranstaltung mit einem Thema, das man nicht als erstes mit Palliative Care assoziiert. Die «Glücksministerin von Deutschland» spricht selbstredend über Glück und darüber, wie auch gesunde Menschen bewusst innehalten und sich fragen müssen, wie sie ihre begrenzte Lebenszeit gestalten wollen. Schöler gibt dem anwesenden und online zugeschalteten Publikum Anregungen, wie man (trotz Widrigkeiten und Rückschlägen) das Leben bewusst(er) gestalten kann und sich zufrieden und wohl fühlt. Ihre Faustregel zum Glück führt entlang der Schlagworte Resilienz, Positive Psychologie und Achtsamkeit, die Namen der fünf menschlichen Finger dienen der Erinnerung. Der Daumen steht für Dankbarkeit und Wertschätzung. Für unser Wohlbefinden ist es wichtig, dass wir schöne Dinge und positive Erlebnisse wahrnehmen, diese Erfahrungen im Gehirn speichern und abrufen können. Der Zeigefinger steht für die Zeit, die wir uns bewusster einteilen sollten, um unseren oft stressigen Alltag zu entschleunigen. Der Mittelfinger steht für das Miteinander, die Gemeinschaft, für echte, tiefe menschliche Bindungen, und der Ringfinger für die Reflexion, die uns hilft, uns selbst und unsere Bedürfnisse zu kennen. Der kleine Finger schliesslich steht für Komik, Humor und Optimismus.

 

Lebensintensivierung im Angesicht des Todes

Die Psychoonkologin Magdalena Berkhoff erlebt es immer wieder, dass sich das Leben im Angesicht des Todes intensiviert, dass es unheilbar kranken Menschen gelingt, ihr Leben bewusster zu gestalten. Wie schaffen es diese Menschen, mit einer Diagnose umzugehen, die sie aus der normalen, in eine neue, bedrohliche Wirklichkeit wirft? Wie gehen sie um mit der Angst vor dem Ende, dem «existentiellen Terror»? Berkhoff erwähnt etwa eine Frau, die in gemalten Bildern ihre Empfindungen ausdrückte, oder eine andere, die sich damit tröstete, dass alle anderen auch sterben müssen: «Die müssen auch alle streben. Alle, alle müssen auch sterben», begleitete sie wie ein Mantra in hoffnungslosen Zeiten. Berkhoff erzählt, worauf sie bei ihrer Tätigkeit besonders achtet und wie sie sich auf ein Gespräch mit einem schwerkranken Menschen vorbereitet. Sie ruft sich etwa immer wieder in Erinnerung, dass jede Person und jede Situation einzigartig ist, sie wahrt die Privatsphäre jedes Menschen, dazu gehört, dass sie «sich zurückzieht und verbeugt», wenn ihre Anwesenheit nicht erwünscht ist. Sie erteilt keine Ratschläge, wertet nicht und zeigt ehrliches Interesse.

 

Keine Verletzungen durch die Sprache

Keine Ratschläge erteilen, Zuhören und Mitfühlen sind kommunikative Fähigkeiten, die alle beherrschen müssen, die in der Palliative Care arbeiten. Angelika Rachor Saxe setzt sich mit der Frage auseinander, wie welche Worte wirken, welches Wort in welcher Situation das beste ist. «Sprache ist eines der wichtigsten Arbeitsmittel – gerade in Veränderungsprozessen», weiss die Germanistin und Change & Communication Manager. Als Pflegende ist es wichtig, Menschen in unsicheren, beängstigenden Situationen nicht zu verletzen. Diesen Grundsatz der sog. präventiven Kommunikation kann man erfüllen, indem man sich im Voraus und am besten im Team mit ‘schwierigen Gesprächen’ auseinandersetzt. Wer die Möglichkeiten, die die Sprache bietet, bewusst und wohlwollend einsetzt, kann schmerzvollen Missverständnissen vorbeugen. Konkret empfiehlt Rachor Saxe etwa, Ratschläge und Silverlining («Die positive Seite an Ihrer Situation ist …») zu vermeiden und als Alternative offene Fragen zu stellen («Was beschäftigt Sie im Moment?») oder Erfahrungen in einen grösseren Kontext einzuordnen («Was Sie schildern, erleben ganz viele von unseren Bewohnerinnen»).

 

Zuversicht in schwierigen Zeiten

Nicht nur richtige Worte können ‘heilend’ wirken, sondern auch Worte von der richtigen Person. Das weiss Peer Counsellor Tim Shelton sehr gut. Als er vor 33 Jahren nach einem Unfall zum Tetraplegiker wurde, war es sein eigener Peer, auch ein Tetraplegiker, der ihn während der Rehabilitation am meisten ermutigte. Sein «Kopf hoch, das Leben geht weiter» kam bei Shelton an, anders als die Ermunterungen derjenigen, die zu Fuss zur Türe herein und wieder hinaus gingen. Hoffnung und Zuversicht ist eine der wichtigsten Ressourcen in der Rehabilitation von Querschnittgelähmten, weiss Tina Plötz, Leiterin Pflegemanagement Rehabilitation des Schweizer Paraplegiker-Zentrums in Nottwil. Hier wird seit 2008 Peer Counselling angeboten. Die Idee dahinter ist, dass sich Personen in der Rehabilitation (aber auch später) mit Personen austauschen können, die in der gleichen Lage sind bzw. waren. Es gibt Peers für krankheitsbedingte Lähmungen und solche für unfallbedingte, Peers für Tetra- und Paraplegiker, Peers für Frauen und Männer, für Seniorinnen und Senioren, für solche mit kompletten und inkompletten Lähmungen usw. Die Begegnungen von Menschen, die gleiches oder ähnliches erleb(t)en, können die Beteiligten zuversichtlich stimmen – eine der wichtigsten Aufgaben der Palliative Care: Das Vermitteln von Zuversicht in Situationen, die unerträglich erscheinen.

 

Save the Date: Das 7. Fachsymposium Palliative Care findet am Donnerstag, 6. Oktober 2022 statt.

Das jährlich stattfindende Palliative Care-Symposium wurde vom Schulungszentrum Gesundheit in Kooperation mit dem Gesundheitszentrum für das Alter Mattenhof und mit palliative zh+sh organisiert. Mehr Informationen auf der Symposium-Website.

Kommentare: 0 | Autor: SGZ | Kategorien: Kategorie Pflege & Betreuung

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